Matthias Herter im Interview über Vergangenheit und Zukunft von Hannover 96

Matthias Herter stellt seinen "Schattenvorstand" vor.: Falco Schickerling, Claus-Dieter Schacht, Ralf Jurgeit, Timo Mertesacker.

96Freunde hat vor der Jahreshauptversammlung mit Matthias Herter über Vergangenheit und Zukunft von Hannover 96 gesprochen.

Herr Herter, wodurch fühlen Sie sich mit Hannover 96 verbunden?

Seit 1970, als ich mit meiner Mutter zum ersten Mal zum Kinderturnen in der Kestnerschule von Hannover 96 war, bin ich mit dem Verein verbunden. Mit Stolz habe ich die 96 zunächst auf dem Turnhemd und später als Handballspieler auf dem roten Trikot getragen. Ich war Mannschaftsführer der E-Jugend. Seit 1973 verfolge ich unsere Roten. 96 hat mich seit meiner Jugend geprägt.

Was war ihr emotionalstes Erlebnis mit Hannover 96?

Oh je, da gibt es so viele, die ich im Herzen trage. Z. B. das 2:1 als Fallrückzieher von Peter Dahl gegen Arminia beim „Auswärtsspiel“ im Niedersachsenstadion. Natürlich die jeweiligen Aufstiege mit Peter Anders und später Bastian Hellberg, zu dem ich heute noch eine Freundschaft pflege. Der Pokalsieg in Berlin, den ich live miterlebte und natürlich Kopenhagen – die Feier am Nyhaven. Leider auch tiefe Trauer wegen des Abstiegs zum 100-jährigen in die Regionalliga und natürlich am tiefsten bewegt durch den Tod von Robert Enke.

Gibt es einen weiteren sozialen oder gesellschaftlichen Bereich, in dem Sie sich in den letzten Jahren ehrenamtlich oder nebenberuflich engagiert haben?

Mein Leben ist durchzogen mit ehrenamtlichem Engagement. Sei es als junger Erwachsener beim Not-Funk-Dienst Niedersachsen oder bei der Gründung des Alumni-Netzwerkes der Uni Hannover während des Studiums. Ich bin derzeit im Vorstand der Freunde Sprengel-Museum e. V. und im Kuratorium des Freundeskreises Hannover e. V. Als Vorstand führe ich die Reichsbund-Stiftung ehrenamtlich.

Welche drei Sachen würden Sie sofort nach Ihrer Wahl zum Präsidenten angehen wollen?

Erstens, Kompetenzteam erstellen aus Teilen des neuen Vorstandes, Aufsichtsrat und Vertretern aus der Hannoverschen Gesellschaft inkl. Fanbeirat zur Durchführung einer Vollbefragung bei den Mitgliedern. Dies schafft Transparenz über die anzupackenden Dinge ALLER Mitglieder.

Zweitens, Intensive Gespräche mit der GF der KGaA, um die Geschäftsbesorgungsbeziehungen zwischen e. V. und dem „Profi“-Unternehmen zu verbessern.

Drittens, Aufnahme der Gespräche mit den Gesellschaftern der S&S zur Rückübertragung von Geschäftsanteilen der KgaA und der stimmberechtigten Sitze im Aufsichtsrat.

Lassen Sie uns einmal kurz zurückblicken. Im vergangenen Jahr hat sich unbestreitbar vieles im Profifußball bei Hannover 96 in die falsche Richtung entwickelt. Was war Ihrer Meinung nach die schwerwiegendste Fehlentscheidung der Vereinsführung?

Die Frage richtet sich an den Profifußball. Hier geht es um die Fragestellung der Geschäftsführung und des Managements der KGaA. Die getätigten Investitionen in den Kader haben die Zielvorstellungen nicht erreicht. Die gekauften Spieler konnten nicht die gewünschte Entwicklung nehmen. Taktisch ist die Mannschaft nicht mehr gut eingestellt. Hinzu kam der Ausfall wichtiger Spieler im System. Ferner wurde das „Fanboykott-Jahr“ 2017/2018 nicht aufgearbeitet. Und da es keine Anzeichen für Frieden gibt, mache mich mir große Sorgen um das Gesamtkonstrukt Hannover 96. Das meine ich sehr ernst.

Zwischen 96-Vorstand und Teilen der Fanszene sind über die Jahre tiefe Gräben entstanden. Mit welchen Maßnahmen könnte man diese Gräben schließen? Wie wollen Sie einen vertrauensvollen Kontakt zur aktiven Fanszene aufbauen?

Ganz eindeutig im Dialog. Das sollte mit kleinen Gruppen anfangen und dann in größeren Kreisen aufgearbeitet werden. Vertrauen zurückzubekommen geht nur auf das Einlassen des Dialoges auf beiden Seiten vor dem Hintergrund der Transparenz. Insbesondere die Transparenz der Entscheidungen und die diesbezügliche Kommunikation haben zu diesem desaströsen Bild geführt.

Sie haben die Bedeutung eines Fandachverbandes angesprochen. Wollen Sie die Aktiven der „Roten Kurve“ dort mit einbeziehen?

Absolut. Die Rote Kurve als Dachverband hat aus meiner Sicht erfolgreichen Beitrag geleistet. Man sieht und spürt ja sehr deutlich das Fehlen dieser Organisation.

Herter: „Entweder für Kind gilt die Ausnahmeregelung, dann hält er 51 % der Management GmbH, oder eben nicht, dann hat der e. V. die 100 % Stimmanteile immer noch“. Foto: Stuart Franklin/Bongarts/Getty Images.

Laut Ihrem Konzept planen Sie, Anteile an der KGaA zurückzuerhalten. Wie soll das funktionieren, wenn der Verein Hannover 96 nicht über die notwendigen Mittel dazu verfügt?

Natürlich geht das nicht durch liquide Mittel des Vereins. Die stehen nicht für Beteiligung an einem Wirtschaftsunternehmen zur Verfügung. Das ist nicht satzungskonform. Es geht also nur durch Rückübertragung durch die Gesellschafter. Das werden Verhandlungen sein, die sich auf das nachhaltige Zwei-Säulen-Modell von Hannover 96 beziehen.

Schauen Sie, egal was passiert – das Schiedsgericht entscheidet für oder gegen den Ausnahmeantrag von Kind – der e. V. hat keine Kapitalanteile an dem Unternehmen, was die DNA von Hannover 96 ausmacht. Und können Sie mir garantieren, dass 50+1 nicht irgendwann fällt? Wie kann man dann erklären, dass Hannover 96 nicht mehr Hannover 96 ist. Selbstredend muss ein Verwässerungsschutz eingebaut werden. Das gilt es allerdings zu verhandeln. Aber 96 ohne Assets am Profisport ist für mich schwer vorstellbar.

Ein Fußballunternehmen Hannover 96, in welcher Rechtsform auch immer, bedarf schon aus Tradition und Wertschätzung der Wurzeln, aus der es kommt, der Beteiligung des Stammvereins. Zukunft braucht eben Herkunft.

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Haben Sie bereits mit Herrn Kind und den anderen drei Gesellschaftern Gespräche darüber geführt?

Wir haben unsere Themen adressiert.




Wäre es nicht konsequenter, Anteile an der wichtigen Management GmbH zurückzukaufen statt Minderheitsanteile an der KGaA?

Über die Rechtswirksamkeit des bereits vollzogenen Verkaufs der Anteile an Martin Kind entscheidet bekanntlich das Schiedsgericht – keine Mitgliederversammlung. Entweder für Kind gilt die Ausnahmeregelung, dann hält er 51 % der Management GmbH, oder eben nicht, dann hat der e. V. die 100 % Stimmanteile immer noch. Das ganze vertragliche Werk steht unter der Maßgabe von 50+1 und ist kein Gegenentwurf.

Im Übrigen kann auch keiner wegen 50+1 die Anteile erwerben. Kein anderer kann die Ausnahmeregelung für sich in Anspruch nehmen. Für den Fall, dass 50+1 fällt, kann er die Stimmrechtsanteile verkaufen, allerdings nur an die S&S und zwar zu dem von ihm bezahlten Preis. Also kein Upsite.

Sie sehen, wie wichtig nicht verwässerbare Anteile an der Gesellschaft in Zukunft werden.

Sie sehen möglicherweise auch, wie komplex diese unternehmerischen und gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen sind innerhalb eines gemeinnützigen Vereins. Und genau da liegt auch der Ursprung des Streites, weil hier die Satzung des e. V. fehlinterpretiert wird. Die Mitgliederversammlung entscheidet im Rahmen des Vereinszwecks und das sind ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke.

Über wirtschaftliche Belange entscheidet der Vorstand, der auch dafür haftet, unter der Zustimmung des Aufsichtsrates. Diese Geschäfte sind in § 16 6b beschrieben. Sollte der Vorstand ohne Mehrheitsbeschluss gehandelt haben, wäre das ein zu korrigierender Fehler. Ich kann den nur nicht erkennen.




Was halten Sie von einem Rückkauf der Markenrechte?

Die Markenrechte sind vor mehr als 20 Jahren im Rahmen der Ausgliederung unter Zahlung eines DM Betrages in Höhe von 2,7 Mio. an die KGaA und später an die S&S übertragen. Der Verein hat die uneingeschränkten Nutzungsrechte und erhält im Falle der Insolvenz vorrangig diese zurück. Im Grundlagenvertrag ist dies sehr dezidiert beschrieben. Er war einsehbar. Im Übrigen gelten die für den Profisport Fußball. D. h., Vermarktung der Leichtathletik, Triathlon oder andere Abteilungen profitieren für sich selbst. Ein kreiertes Beispiel: Leichtathletik vermarktet den e. V.-Sportler Onnen.

In diesem Zusammenhang wird immer das Beispiel Frankfurt erwähnt. Nun, das ist eine Aktiengesellschaft, die bei der Ausgliederung nicht auf das Geld von Investoren mehrheitlich angewiesen war. Bei uns profitiert der Verein durch die vielen Fördermitglieder durch deren Beitrag. Das sind rund 1 Mio. €. Deswegen müssen wir denen ebenso eine Heimat geben wie den Vereinssportlern. Wenn der Verein aber weiterhin so ein Image ausstrahlt, sehe ich den Zuwachs an Mitgliedern eher schwach. Und im anderen Fall würden Ergebnisse aus Markenrechten viel schneller zurückgehen als die Mitglieder, die das Rote im Herzen tragen. Die Beendigung einer Mitgliedschaft hängt von vielen Faktoren ab, die Markenumsätze und daraus erzielbare Ausschüttungen vom sportlichen Erfolg.

Die letzte Wahlperiode für den Präsidenten dauerte drei Jahre. Blicken wir drei Jahre nach vorne, ins Jahr 2022. Von welchen Erfolgen können Sie dann auf der Mitgliederversammlung berichten?

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Wir werden einen Überblick über alle Belange der Mitglieder als Erkenntnisgewinn einer Mitgliedervollbefragung haben und daraus bereits die ersten Erfolge abgeleitet haben.

Es wird wieder einen Dachverband für die Fans geben. Eine Fanabteilung wird mit engagierten Fans im Ehrenamt aufgebaut sein, die einen lebendigen Austausch zur Profimannschaft und den Ü Mannschaften hat.

Die Mitgliederkommunikation wird wesentlich transparenter sein und über einen Online-Kanal betrieben werden.

Wir werden die ersten Kinder- und Jugendmannschaften im Spielbetrieb haben. Inklusion wird bei uns Einzug erhalten haben.

Die hauptamtliche Geschäftsführung wird deutlich sichtbarer zu den Mitgliedern und deren Belangen sein. Das Breitensportzentrum wird deutliches Mitgliederwachstum erfahren haben und ein beliebter Treffpunkt für die Vereinssportler dank der vielen Ideen der Abteilungsleiter.

Eine Vision und ein Finanzierungskonzept für den zweiten Bauabschnitt wird dann vorgestellt werden. Wir werden gut ausgearbeitete Geschäftsbesorgungsverträge mit der KGaA haben sowie Anteile. Und schlussendlich werden wir vor einer neuen Mitgliedervollbefragung stehen, die die Erfolge sichtbar macht – schon wegen der Transparenz.

Naja, aber der Sport an sich hat natürlich auch weitere Erfolge gebracht – hoffentlich auch bei unseren Roten.

Was möchten Sie den 96-Mitgliedern und Fans abschließend mit auf den Weg geben?

Dass wir wieder Hand in Hand gehen, miteinander statt übereinander reden, den Weg des Zankes verlassen und die Zukunft gestalten. Den Blick nach vorne. Für die Mitgliederversammlung wünsche ich mir Respekt für alle Kandidaten. Jeder soll sich für diejenige oder denjenigen entscheiden, der die Zukunft und die Probleme am besten vermag anzugehen und vor allem einen geregelten friedlichen und sachlichen Verlauf.

Die Lieblingsfolgen vom 96Freunde-Podcast mit Altin Lala, Florian Fromlowitz und Ewald Lienen. Viel Spaß beim Reinhören!

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