Eine Sommerlektüre: Wie ich Fan von Hannover 96 wurde

Sommerpause, ich liege faul in der Hängematte rum. Es wäre an der Zeit, mal in alten Erinnerungen zu schwelgen, wie Euer Lieblingsschreiber eigentlich Fan von Hannover 96 wurde…

Nicht jeder wird sofort als Roter geboren oder schon mit der Muttermilch dahingehend aufgezogen. Schon gar nicht, wenn man eine gute Autostunde von Hannover entfernt, in den 70ern und 80ern aufgewachsen ist. Damals kickte 96 noch hoch und runter zwischen 1. und 2. Bundesliga rum und suchte nach seiner Strahlkraft der späteren Jahre. Meine ersten Erinnerungen an Profifußball sind die Samstagabende zur „Sportschau“ im heimischen Wohnzimmer. Dort spielte mir mein Vater von der Couch aus kleine Fuß- und Tennisbälle zu, während Mönchengladbach, der HSV, Köln, und die Bayern über den Röhrenfernseher flimmerten.

Vater-Kind-Zeit, alte Schule. Mein Vater war Malocher auf Schichtarbeit und nebenbei mein Trainer im Fußballverein. Oft genug knackte er auf dem Sofa weg, später belagerte er an Wochenenden den Tresen im Sportheim. Dort gab es Billard, eine Jukebox, „Space Invaders“ und Wurst mit Pommes für uns. Ein Traum inmitten typisch deutscher, verqualmter Amateur-Romantik. Mein Vater war Ende der 60er aus NRW zurück gekehrt, wo er neben der Maloche in Leverkusen und in Gelsenkirchen in den Werksteams von Bayer und Schalke kicken konnte. Kurz bevor es für ihn karrieretechnisch spannend wurde, kehrte er nach Niedersachsen zurück und tauschte die Chance aufs Profi-Dasein (true story!) gegen Familie und Hartplatz. Letzterer wurde schon früh mein zweites Kinderzimmer, zu jeder Jahreszeit an der frischen Luft, und meinen ersten Idolen vom 1.FC Köln nacheifernd.

Erste 96-Nostalgie im Niedersachsenstadion
Erste Tour ins Niedersachsenstadion

Anfang der 80er eierten wir dann im klapprigen Opel eines seiner Kollegen über die A7 hoch nach Hannover, wo der mächtige 1.FC Köln zu Gast im noch alten Niedersachsenstadion war. Die Erwachsenen rauchten und tranken Bier aus 0,33 Liter-Flaschen. Die Kurbel für mein Fenster war kaputt und ich schnappte mühsam nach Luft. Im Radio liefen die Hits der 70er und 80er auf NDR2. Das alles hat sich komplett in mein Hirn eingebrannt, als wäre es gestern gewesen.
In meiner Erinnerung parkten wir direkt am Maschsee, so wie noch heute bei Heimspielen, und es ging über einen Hügel im Osten hoch und rüber in die proppevolle Südkurve. Ich weiß leider nicht mehr, ob da die Kölner standen, aber auf jeden Fall hatten die zu der Zeit erfolgverwöhnten Rheinländer nicht viel auf den Rängen zu bestellen. In einem schwarz-weiß-grünen und roten Meer aus Fans und Fahnen herrschte eine atemberaubende Stimmung. Die Leute hatten Doppelhalter dabei, Tröten, große und kleine Schwenker, Sonnenhüte mit 96-Logo. Die Hälfte der Zeit war ich mit dem Beobachten der ganzen Fans beschäftigt. Zwar verlor 96 am Ende (glaube ich), aber fortan hatte ich einen zweiten Lieblingsverein, den ich natürlich auf all meinen Schulheften verewigte.

Ein paar Jahre später, wir waren alle 16 oder 17 und auf dem Weg zum Abitur, begann der Freundeskreis auch regelmäßig mit dem Regio rüber nach Peine Ost zu fahren. Zum Shoppen, in die ersten Discos, und immer häufiger auch zur Eintracht. Machte bei uns im Ort in dem Alter gefühlt jeder Jungspund so. Auch ich fuhr öfters mit, wurde aber nie richtig Fan. Man muss zwar gestehen, dass die Stimmung und die ersten, von den Älteren besorgten Bierchen, unsere Adoleszenz beflügelten. Trotzdem war es halt nicht wie im Niedersachsenstadion mit seiner Größe, dem vollen Sound, und der Ausstrahlung, sondern nur eine Schüssel, in die die Dorfjugend zum Saufen fuhr. Wenn nicht an die Hamburger Straße, dann doch später in eine der Discos. Machte man halt, weil man einfach gestrickt war oder keine Alternativen sah. Doch Alternativen zu blau-gelber Tristesse gab es in meinem jungen Leben zum Glück genug…

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Mein Vater und auch einer meiner Onkels ließen damals keine Gelegenheit aus, um mich weiter mit Fußballfieber zu füttern. Wir fuhren ins Müngersdorfer Stadion nach Köln, um meine Jugendidole Klaus Fischer und Pierre Littbarski zu sehen. Bochum Ruhrstadion, wo die Glasgow Rangers nach der Katastrophe im Heysel Stadion (Brüssel) als britisches Team eins seiner Europapokalspiele absolvieren mußte. Und im Urlaub in Rumänien, Bayern, Griechenland, oder an der Nordsee war mindestens auch immer ein Abstecher in ein Stadion auf dem Programm.
Mitte/Ende der 80er hatte mich britischer und speziell englischer Fußball schwer im Griff. Ich durfte des öfteren am Austausch unseres Sportvereins mit unserer englischen Partnerstadt teilnehmen und wurde im Sommer auch mal auf eine Sprachschule nach Mittelengland geschickt. Was dieses Land, die 80er Jahre, Fußball, Kultur und Musik für eine geile Mischung waren, brauche ich wohl keinem Leser weiter erklären! Sowas prägt einfach.

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Mitte der 90er ging es für mich dann erstmal kurz nach Hamburg zum Zivildienst, wo wir uns fast jedes Spiel von St. Pauli reinzogen, viel über Politik und Gesellschaft diskutierten, zu Platten von Slime, Bad Religion, und But Alive sozialisiert wurden, und viel Geld in den Kneipen rund um die Reeperbahn ließen. 18 Monate später ging es schon weiter Richtung Berlin und ich verlor im Großstadtdschungel erstmal komplett den Bezug zum Fußball. Oft genug mußte ich als alternativ aussehender Mensch die Füße in die Hand nehmen, wenn Hools von Union, Dynamo oder Hertha auf dem Bahnsteig auftauchten. Der ganze Freundeskreis war eher auf dem Skateboard oder in Punkbands unterwegs, so daß am Wochenende entweder gerollt, geprobt oder gerockt wurde. Meine Fußball-Liebe geriet kurz mal ins Eisfach.

Über meine große Musikleidenschaft wurde ich in Berlin irgendwann DJ und von dort aus bald auch in andere Teile Deutschlands gebucht. Eine meiner ersten unregelmäßigen Adressen war das Bei Chez Heinz in Hannover, und über die Musik hatte ich schnell einen tollen neuen Freundeskreis in Linden aufgebaut. Bald wurde aus unregelmäßig eine monatliche Party namens „Rock n Roll Highschool“, die sich zur größten und besten Punkrock-Party in Norddeutschland mauserte. Oft kamen zahlreiche 96-Fans am Abend eines Heimspiels noch auf mehrere Absacker zu uns, alles Menschen mit natürlich superben Musikgeschmack! Und so dauerte es nicht lange und ich war wieder „drin im Spiel“, die schnelle riesengroße Liebe zu Hannover, seinen vielen tollen Ecken und seinen phantastischen Menschen schubste Berlin locker vom Thron, und ich fuhr Sonntags, nach jeder wilden, tollen Party traurig in die bedeutungslose Bundeshauptstadt zurück. Wenn ich es doch nur irgendwie schaffen würde, in Hannover Anker zu werfen und sesshaft zu werden…

Ich fieberte vor dem TV mit durch Europa, und war beim Tod von Robert Enke wochenlang wie gelähmt. Die Trauerfeier aus dem Niedersachsenstadion machte mir klar, dass ich mich diesem Verein, dieser Stadt, dem Team und den Menschen mit Haut und Haar verschreiben wollte, ein Leben lang.
Meine Eckkneipe in Berlin-Friedrichshain hatte ein Billiardzimmer mit Fernseher, vor dem ich fast alle Spiele von Huszti, Schmiedebach, Schulz, Anton, Sané und Co verfolgte, meistens alleine im Raum. Ja, ich kam echt spät erst so richtig zu 96, dafür aber umso leidenschaftlicher.

2015 schmiss ich in Berlin hin und nahm ein schmackhaftes Jobangebot beim großen Autobauer in Niedersachsen an. Ich zog in das triste Kaff, in dem ich geboren wurde, 30 Kilometer von Peine Ost entfernt und übelst blau-gelb verseucht. Anfangs gab es üble Anfeindungen, aber mittlerweile weiß ich, dass ich Trikot und Schal erst im Regio Richtung Hannover raus hole. Der Kreis schloss sich, als ich eines Tages meinen Vater ins „neue“ Niedersachsenstadion mitnahm, ca. 30 Jahre nach unserem ersten Besuch dort. Wir schauen ab und zu im Pay-TV zusammen die „großen“ Spiele von 96 gegen Hamburg, Dortmund oder das Derby. Dann proste ich ihm zu und bedanke mich innerlich, daß ich über viele Umwege ein Roter werden konnte…

Die Lieblingsfolgen vom 96Freunde-Podcast mit Altin Lala, Florian Fromlowitz und Ewald Lienen. Viel Spaß beim Reinhören!

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