Hannover ist vor dem Derby gegen Braunschweig elektrisiert. Einen großen Skandal und viele kleine Nickligkeiten gab es jedoch schon in den letzten Jahrzehnten, lange vor dem Derby am Samstag.
Grund 1: Hannover löst Braunschweig als Residenz ab
1140 wurde Braunschweig die Hauptstadt des Herzogtums Sachsen, das sich damals über den Nordwesten des heutigen Deutschlands erstreckte. Heinrich der Löwe hatte Braunschweig zu seiner Residenzstadt erwählt. Braunschweig war mit 20.000 Einwohnern damals eine Großstadt, Hannover unbedeutend.
Das änderte sich im Laufe der Jahrhunderte. Herzog Georg von Calenberg wählte 1636 die Stadt Hannover als Residenz, so dass sich Macht und Einfluss zunehmend von Braunschweig nach Hannover verlagerte.
Grund 2: Braunschweigs Schmach im Abstiegskampf
Die Konkurrenz auf dem Platz gab es schon vorher, doch eine Situation verankerte sich tief in der Seele der Hannoveraner und Braunschweiger Fans: Der Abstiegskampf 1972/73. Erst am letzten Spieltag entschied sich, ob Braunschweig oder Hannover absteigen musste: Braunschweig lag in der Tabelle vor Hannover und spielte zu Hause gegen Düsseldorf.
Hannover 96 musste auswärts ran und holte einen nicht mehr für möglich gehaltenen 4:0-Sieg in Wuppertal („das Wunder von Wuppertal“). Braunschweig verlor zu Hause 1:2 gegen Düsseldorf, so dass die Löwen den bitteren Gang in die Zweitklassigkeit antreten mussten.
Es war eine Schmach für Eintracht Braunschweig, die 1967 noch Deutscher Meister geworden waren: Ausgerechnet durch ihre Heimniederlage durfte nun der Rivale Hannover 96 doch noch erstklassig bleiben.
Grund 3: Kleinkrieg der Nachbarn
Als Hannover Residenz von Herzog Georg von Calenberg wurde, war Braunschweig düpiert. Sie versuchten sich mit Frankreich gegen Hannover zu verbünden und so mit einem Aufstand die Macht wiederzuerlangen. Die Hannoveraner schlugen diesen Aufstand jedoch mit Waffengewalt nieder. Quelle: Andreas Buchal, „Eintracht Braunschweig vs Hannover 96 – Über die Rivalität zweier Traditionsvereine“
Spätestens jetzt war die Grundlage für tiefe Abneigung der geografischen Nachbarstädte gelegt. Dabei sind kuriose Szenen entstanden, die der Autor Andreas Buchal in einem Gastartikel für 11Freunde mit den folgenden Worten schildert. Absurder geht es kaum:
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„Die hannoverschen Zöllner kontrollierten alle Braunschweiger, die mit dem Zug unterwegs waren, in aller Ruhe und Gründlichkeit. Dabei verzögerten sie die Kontrollen so lange, dass der Zug bereits wieder abfuhr und die Koffer nachgeschickt werden mussten. Auch die Braunschweiger Zöllner nahmen ihren Beruf sehr ernst und kontrollierten die Hannoveraner Wagen so penibel an der Grenze, dass sich die Wagen kilometerlang stauten und zeitweise sogar bis zu acht Tagen warten mussten.“
Grund 4: Hannover wird Landeshauptstadt von Niedersachsen
Bis 1946 hatten Braunschweig und Hannover noch nichts gemeinsam: Denn Niedersachsen gibt es in seiner heutigen Form erst ab 1946.
Vorher gab es auf dem heutigen niedersächsischen Gebiet vier eigenständige Länder: Neben der preußischen Provinz Hannover waren das das Großherzogtum Oldenburg, das Herzogtum Braunschweig und das Fürstentum Schaumburg-Lippe. Alle Länder hatten bis zum zweiten Weltkrieg ihre territoriale Autonomie innerhalb Deutschlands inne.
Es wurde lange diskutiert, wie diese vier Länder nach Ende des zweiten Weltkriegs aussehen sollten:
Eine Lösung war die Bildung eines Landes Niedersachsen, das möglichst große Gebiete in der Mitte der britischen Besatzungszone abdecken sollte, vor allem die vier Länder Hannover, Oldenburg, Braunschweig, Schaumburg-Lippe.
Eine zweite Lösung war ein Drei-Länder-Modell: Es sah die Gründung eines Bundeslandes „Weser-Ems“ vor, das aus Bremen, dem Land Oldenburg und den Bezirken Aurich und Osnabrück bestehen sollte. Dazu sollte neben einem hannoverschen Land ein vergrößertes Land Braunschweig entstehen. Zu diesem Land Braunschweig hätten auch Hildesheim und Gifhorn dazu gehört.
Am Ende war die erste Lösung mit Hannover als Landeshauptstadt mehrheitsfähig. Wäre die zweite Lösung umgesetzt worden, würde das Gebiet des heutigen Niedersachsens aus drei flächenmäßig etwa gleich großen Ländern bestehen – und Braunschweig wäre eigenständig geblieben.
Grund 5: Die Bundesliga-Gründung
1962/63 fand die Bundesliga-Gründung statt. Die Frage, wer als Gründungsmitglied in der ersten Bundesliga von Anfang an mitspielen darf, war hoch umkämpft. Objektiv hätten es Hannover 96 oder der VfL Osnabrück werden müssen. Wider Erwarten wurde es jedoch Eintracht Braunschweig – Osnabrück und Hannover 96 wurden vom DFB nicht berücksichtigt. Alle Hintergründe zu diesem Krimi gibt es hier.
P.S.: Trotz aller Rivalität: Wir freuen uns ein friedliches Derby am Ostersamstag!
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