Das neue Jahr startete gegen Regensburg so, wie die ganze Saison bisher verlief – ernüchternd. Im ersten Heimspiel des Jahres wollte die Mannschaft von Trainer Kenan Kocak zeigen, dass sie doch noch Fußball spielen kann. Ansätze waren zu erkennen, aber für einen Heimsieg reicht es wieder nicht. Von Maxi Wilsmann und Dennis Draber
Es war die 37. Minute. Nach einer kurz ausgeführten Ecke der Wiesbadener und einer Flanke von Daniel Kyereh durfte Stefan Aigner fast ungestört den Ball über die Torlinie drücken – Marvin Ducksch leistete kaum Gegenwehr, Julian Korb war zuvor vom langen Pfosten in den Strafraum herausgerückt. Die Hoffnung auf einen guten Heimauftakt in 2020 wurde nach dieser Situation im Keim erstickt. Zwar erwärmte einem die Fanchoreo zu Ehren von Torwartlegende Jörg Sievers das Herz, beim Anblick des Spiels wurde den 96-Anhängern dagegen die meiste Zeit schwindelig.
Nach der Regensburg-Pleite hatte Kenan Kocak den 96-Spielern öffentlich ihre Qualität abgesprochen („Ich habe die Mannschaft nicht zusammengestellt. Man hat ja gesehen, dass wir nicht nachlegen können in so einer Situation“), um kurz darauf trotzdem zu versichern: „Fans, keine Sorge, wir werden unsere Ziele erreichen.“ Zwei Aussagen, die eigentlich kaum miteinander in Einklang zu bringen sind. Das Spiel gegen Wiesbaden zeigte dann auch die Zerrissenheit, die zurzeit bei Hannover 96 herrscht, in nahezu allen denkbaren Facetten.
Irgendwo zwischen Verunsicherung und Dominanz
Die Roten gaben sich in der ersten Halbzeit Mühe das Spiel zu kontrollieren. Zug zum Tor konnten sie allerdings nicht richtig entwickeln. Und so verlief die erste Halbzeit ohne wirkliche Chance für Hannover 96. Die Pfiffe zur Halbzeit waren gerechtfertigt. In der zweiten Hälfte kam die Mannschaft stärker aus der Kabine, doch die Möglichkeiten von Ducksch und Haraguchi (53.) und der Kopfball von Horn (58.) fanden nicht den Weg ins Tor. Nachdem Kocak zweimal offensiv wechselte und Teuchert für Stendera sowie Soto für Kaiser brachte, drängte Hannover auf den Ausgleich.
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In der 82. Minute war es dann soweit: Nach einem Pass von Felipe konnte sich Genki Haraguchi von der Außenbahn bis ins Zentrum tanken und aus 18 Metern perfekt ins untere linke Eck abschließen. Plötzlich bestand doch wieder Hoffnung auf einen erfolgreichen Nachmittag. Und tatsächlich – Linton Maina konnte nach einem starken Solo den eingewechselten Cedric Teuchert im Zentrum finden und der vollendete per Direktschuss zum 2:1 (87.). Der Jubel fiel entsprechend groß aus, Teuchert feierte mit seinen Teamkollegen vor der Kurve.
Doch bekanntlich dauert ein Fußballspiel 90 Minuten. Erneut kam Wiesbaden nach einer Ecke nochmal zu einer Chance – und Benedikt Röcker konnte per Nachschuss (Korb hatte zunächst auf der Linie gerettet) einschieben. Zieler machte beim Gegentor eine unglückliche Figur. Anstelle von Zufriedenheit über einen knappen, aber akzeptablen Sieg stand am Ende wieder die Enttäuschung über liegengelassene Punkte.
Lob vom Cheftrainer, Protest von den Fans
Kocak fand erstaunlich positive Worte für ein über weite Strecken ernüchterndes Spiel gegen den Aufsteiger aus der 3. Liga. „Ich kann der Mannschaft absolut keinen Vorwurf machen heute“, sagte der Cheftrainer, der seine Mannschaft eine Woche zuvor noch so hart kritisiert hatte – er gab dem Team bis Dienstag trainingsfrei, damit sie „jetzt mal den Kopf freikriegen“.
„Verantwortung ist nicht teilbar“ (Spruchband in der Nordkurve)
Die Proteste gegen Geschäftsführer Martin Kind waren auch einen Tag nach dem Spiel Gegenstand von Diskussionen. Während des Spiels hatten Fans in der Nordkurve zahlreiche Spruchbänder hochgehalten, auf denen Aussagen des 96-Geschäftsführers aus der Vergangenheit zu lesen waren, etwa „Verantwortung ist nicht teilbar“ und „Wir haben die Knöpfe professionell gedrückt“. Auch ein Zitat mit Bezug auf die unwürdige Kaltstellung von Jan Schlaudraff fand sich unter den Bannern wieder: „Natürlich ist er noch am Anfang, obwohl er gesagt hat, dass er schon soweit ist“.
Während des Spiels stimmten Teile der Nordkurve wiederholt „Kind muss weg“-Parolen an. Auf einem Flugblatt erklärten die Organisatoren der Protestaktion ihre Motivation: „Angesichts der derzeitigen sportlichen Lage und der katastrophalen Außendarstellung unseres Vereins, welche aus unserer Sicht ganz klar auf den ziemlich fragwürdigen Entscheidungen Martin Kinds fußen, wollen wir heute unserem Unmut mittels diverser Spruchbänder auf den Tribünen des Stadions Luft machen.“ Weiter heißt es auf dem Flyer: „So wie es derzeit läuft, kann und darf es nicht weitergehen!“
Quo vadis, 96? Nach dem überzeugenden 2:2 gegen Stuttgart kamen einige 96-Fans über die Weihnachtstage ins Grübeln, ob man nicht doch noch auf den Relegationsrang schielen könne. Nur einen Monat später muss man die Frage mit „Ja“ beantworten. Der Relegationsrang ist in Hannover ein hochaktuelles Thema – leider nur nicht Platz 3, sondern Platz 16. Es herrscht bitterer Abstiegskampf in Hannover – das sollte spätestens gestern jeder begriffen haben.
Die Lieblingsfolgen vom 96Freunde-Podcast mit Altin Lala, Florian Fromlowitz und Ewald Lienen. Viel Spaß beim Reinhören!
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