Taktik-Fuchs Tim Block blickt in seiner Kolumne zurück auf ein verdientes 0:0 von Hannover 96 gegen den BVB – und freut sich über zwei Chefs auf dem Platz, die niemand auf dem Zettel hatte: Walace und Sorg. Dass Anton ganz selbstverständlich seine neue Kapitänsrolle ausfüllt, hat Tim Block hingegen von Anfang erwartet – und wurde nicht enttäuscht.
Hannover 96 empfing am vergangen Freitagabend den Ballspiel Verein Borussia Dortmund 09. Das Stadion war schon lange ausverkauft, ein attraktiver Gegner zu Gast, das Flutlicht brannte und die aktive Fanszene war zurück. Im Grunde war alles angerichtet für ein wahres Fußballfest. Ich habe mir zu diesem Spiel das ein oder andere notiert und mich mit den taktischen Dingen des Spiels befasst. Bevor es aber taktisch wird, möchte ich in dieser Saison vorab jeweils eine – kurze – Darstellung der Situation bei Hannover 96 und dessen Gegner verfassen. Dadurch kann ich die Ausgangslage des Spiels für euch besser konkretisieren.
WARM-UP Borussia Dortmund: Die Stellschrauben sitzen noch nicht fest
In Dortmund fand in der Vorbereitungszeit wieder einmal ein Umbruch statt. Mit Lucien Favre ist ein neuer Trainer angekommen. Viele Spieler haben den BVB verlassen, einige sind dazugekommen. Im DFB-Pokal wirkte die Mannschaft des gebürtigen Schweizers teilweise überrascht und überfordert mit dem Gegner, schaffte es aber durch die Last-Minute-Tore doch in die nächste Runde. Im Spiel gegen Leipzig zeigte die Mannschaft zwar im Ansatz, was außer Standardtoren noch möglich ist, brachte es aber nicht zu 100% auf den Rasen. Leichte Abstimmungsfehler bzw. fehlende Verbindungen im Spiel nach vorne und mit Ball ebenfalls noch nicht gänzlich ausgereift. Die Stellschrauben sitzen noch nicht richtig fest beim BVB und das wird auch noch ein wenig dauern.
WARM-UP Hannover 96: Ein anderer Fußballstil als in der Vorsaison
Hannover 96 befindet sich in einem Prozess, in dem man noch keine vollends ausgereiften Spielzüge zu erkennen versuchen sollte. Waldemar Anton ist neuer Kapitän, Michael Esser neuer Stammtorhüter. Neuzugänge mit Wimmer und Walace müssen noch optimal eingebunden werden. Dazu kommt, dass 96 einen anderen Fußball zu spielen versucht als noch in der Vorsaison. Das führt zwangsläufig zu einem Prozess, in dem noch Fehler passieren – und auch passieren dürfen.
Taktikanalyse Hannover 96 gegen Borussia Dortmund:
Hannover 96 stellt sich personell sehr 4-4-2 verdächtig und auch typisch hierfür auf. Zwei Sechser, zwei schnelle Außenbahnspieler, zwei Stürmer. Da der BVB traditionell im 4-3-3 auflief, hätte dies nominell im Zentrum schon für ein Übergewicht für die Schwarz-Gelben bedeutet. Um das zu verhindern, tat Hannover 96 folgendes:
1. Ihlas Bebou positionierte sich zentral in den Dunstkreis des tieferen Sechsers der Borussen
2. Miiko Albornoz spielte nun deutlich offensiver auf der linken Außenbahn
3. Oliver Sorg ordnete sich als rechter Halbverteidiger in der Dreierkette neben Wimmer und Anton ein.
Auf dem Feld agierte die Elf von André Breitenreiter im eigenen Ballbesitz also im 3-4-1-2. Gegen den Ball ließ sich Bebou zentral zurückfallen und die beiden Spieler auf den Außenbahnen Linton Maina und Miiko Albornoz schlossen sich dem Defensivverbund an, sodass ein sehr kompaktes 5-3-2 entstand.
Geriet der Spielaufbau der Dortmunder ins Stocken, schob Maina oder Albornoz (abhängig von der Seite, über die das Spiel lief) hoch, Walace oder Bebou stießen nach und der jeweils abkippende 96-Stürmer entfachte von hinten her Druck auf den BVB-Mann, was den Rückpass unmöglich machte und ein hohes (ungenaues) Anspiel erzwang. Durch dieses ungenaue Anspiel der Dortmunder kam Hannover 96 dann wiederum oft in Ballbesitz und konnte sein Spiel nach vorne forcieren. Gelang es Dortmund dennoch, den Angriff rechtzeitig abzubrechen und das Spiel über den Torwart neu aufzubauen, liefen Asano und Niclas Füllkrug die breit stehenden Innenverteidiger direkt an, Bebou versperrte den Passweg auf den tiefen Sechser Witsel. Die Außenverteidiger Piszczek und Schmelzer standen sehr hoch, wurden aber von Maina und Albornoz zugestellt, so das häufig nur der lange Ball ins letzte Drittel ein Mittel zu sein schien, mit dem man schnelleren Ballverlusten aus dem Weg gehen konnte.
Oliver Sorg – der verlängerte Arm des Trainers?
Der von vielen gelobte Linton Maina, dessen Leistung ich auch in keinster Weise schmälern möchte, profitierte von dem kommunikativ starken Oliver Sorg, der ihm (auch in den TV-Bildern gut zu erkennen) häufig Anweisungen gab, wie er zu stehen hat, wann er rauslaufen muss und wann es besser ist, den Gegner zu stellen. Das hat Oliver Sorg aber nicht nur mit dem 19-jährigen Talent gemacht, sondern auch mit Iver Fossum, um das Pressing so umzusetzen, wie sich Andre Breitenreiter das vorgestellt hat. Das war insbesondere dann von Erfolg gekrönt, wenn Hannover 96 die rechte Seite überlud, um ein ungenaues Passspiel der Dortmunder in die Spitze zu provozieren.
Die Rolle von Oliver Sorg im allgemeinen ist sehr interessant. Es kommt mir fast so vor, als wäre er auf dem Platz sowas wie der verlängerte Arm des Trainers. Julian Korb wird es sehr schwer haben, an dem spielintelligenten Sorg vorbeizukommen, denn der scheint nun endgültig seine Position gefunden zu haben.
Wie so oft in einem Fußballspiel ist die zweite Halbzeit offener und hektischer als die erste, da tendenziell beide Mannschaften eher auf Sieg gehen wollen. So war es auch in diesem Match. Auffällig war, dass Niclas Füllkrug stärker ins Spiel eingebunden und zunehmend tiefer angefunden wurde, von wo er den Ball oft ins Zentrum tropfen ließ. Daraufhin leitete ein nachrückender Spieler sofort die Spielverlagerung ein, woraufhin über die Außen versucht wurde, den Ball scharf auf den eingewechselten Bobby Wood oder eben den nachgerückten Niclas Füllkrug zu spielen.
In den wenigen Situationen, die du gegen ein solches Kaliber wie den BVB hast, fehlte es teilweise an Präzision der Hereingaben von Maina oder eben an Stellungsfehlern des amerikanischen Nationalspielers Wood. Das kann man natürlich daher erklären, dass die Abstimmungen noch nicht bei 100% sind. Und damit komme ich zurück zu dem, was ich eingangs im WARM-UP über Hannover 96 geschrieben und in meiner Taktikanalyse aufgezeigt habe:
„Hannover 96 will einen anderen Fußball spielen als noch in der Vorsaison. Das führt zwangsläufig zu einem Prozess, in dem noch Fehler passieren – und auch passieren dürfen.“
Die Lieblingsfolgen vom 96Freunde-Podcast mit Altin Lala, Florian Fromlowitz und Ewald Lienen. Viel Spaß beim Reinhören!
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