Hannover – Das Heimspiel gegen die Bayern ist für viele 96-Fans das Highlight des Jahres. Am Samstag stellt sich der vorzeitige Meister wieder am Maschsee vor. Wir sprechen darüber mit Autor Justin Kraft. Er ist nicht nur Fan, sondern auch ausgewiesener Experte, was den Rekordmeister angeht.
Justin, stell Dich unseren Lesern doch bitte kurz vor. Was müssen unsere Leser über Dich wissen?
Hallo Hannoveraner, mein Name ist Justin Kraft, und ich bin seit 2015 als freier Autor unterwegs. Zu Beginn beschränkte sich mein Hobby lediglich auf einen eigenen Blog, mittlerweile schreibe ich regelmäßig für den größten FC-Bayern-Blog: Miasanrot. Durch den steigenden Bekanntheitsgrad hat sich mir sogar die Chance geboten, zwei Bücher zu schreiben. Was für euch vielleicht nach einem Ding der Unmöglichkeit klingt, haben Kollege Felix Haselsteiner und ich irgendwie geschafft: wir haben 111 Gründe FÜR den FC Bayern gefunden. Darüber hinaus durfte ich ein Bilderbuch über Mats Hummels mitgestalten und selbst schreiben. Und vielleicht kommt 2019 noch etwas von mir, was weit über vorgefertigte Formate hinaus geht. Aber das steht noch in den Sternen.
Herzlichen Glückwunsch zur vorzeitigen Meisterschaft. Wie groß ist die Freude? Oder ist das schon so etwas wie Routine?
Menschen neigen ja gerne dazu, Emotionen, wie wir sie 2001 im Meisterschaftsfinale erlebt haben, zum absoluten Gipfel der Gefühle zu erklären. Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Es ist vorstellbar, dass ich so etwas nie wieder erleben werde, und umso glücklicher bin ich, dass ich davon erzählen kann. Aber was wir Bayern-Fans seit 2012 erleben, ist für mich wiederum der Gipfel der Gefühle. Eine derartige nationale Dominanz und Souveränität ist in der Geschichte des deutschen Fußballs einmalig. Ich genieße das sehr. Da liegt womöglich auch der große Unterschied: 2001 war ein herausragendes Gefühl. Für neutrale Zuschauer war diese Saison ein absoluter Wahnsinn. Deutschland täte das zum jetzigen Zeitpunkt sicherlich auch mal ganz gut. Aber man darf nicht den Fehler machen, und den Bayern-Fans die Emotionen absprechen. Es ist ganz bestimmt ein Stück Routine dabei, aber ich für meinen Teil kann sagen, dass ich mich über jede Meisterschaft meines Klubs freue. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich diese Ära erlebe. Es gibt verschiedene Formen von Freude, und ich kann aus eigener Erfahrung bestreiten, dass uns Fans die genüsslichere Art von Freude langweilen würde.
Auch in der Champions League steht ihr im Halbfinale und im Pokal im Finale. Wiederholt Jupp nach 2013 das Triple?
Das wäre eine Sensation. Heynckes holt ohne Frage das Maximum aus diesem Kader, aber ich sehe Bayern nicht ganz auf dem Level von Real Madrid. Da fehlt es an taktischen Kleinigkeiten, aber auch an dem Top-Level einiger Spieler, die über ihrem Zenit sind. Es entsteht aber dennoch gerade wieder ein Gefühl im Kader, dass Jeder für Jeden da ist, und die Mannschaft zu einer Einheit zusammenwächst. Ich glaube tatsächlich, dass wir Bayern-Fans noch viel Freude an der Restsaison haben könnten. Das Team ist gerade dabei, über sich hinauszuwachsen. Erreichen sie das, kann sich auch ein Klub wie Real Madrid warm anziehen.
Letzte Woche wurde die Verpflichtung von Niko Kovacs als Nachfolger von Heynckes bekanntgegeben. Wie beurteilst Du die Personalie?
Ich warne ausdrücklich davor, Niko Kovac jetzt schon abzuschreiben. Skepsis kann ich dennoch nachvollziehen. Kovac wird den größten Berg an Aufgaben in München seit Louis van Gaal vor sich haben. Er muss den Kader und möglicherweise auch die Hierarchie umstrukturieren, neue taktische Impulse geben und er muss möglicherweise auch unpopuläre Entscheidungen treffen, die er dann an die Alphatiere des Klubs verkaufen muss. Gar nicht so einfach für einen Mann, der bei der kroatischen Nationalmannschaft einst genau an diesen Aufgaben scheiterte. Er hat sich seine Chance aber verdient. Auch wenn ich persönlich nicht ganz nachvollziehen kann, weshalb es nun Kovac wurde, so hat er meinen Respekt für das, was er bei Frankfurt geleistet hat. Am meisten stört mich allerdings das Drumherum.
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Aus Frankfurt gab es harte Aussagen in Richtung München. Es war von Unprofessionalität und Unfairness die Rede. Kannst Du die Vorwürfe nachvollziehen?
Genau das meine ich. Hier hat sich der Klub wiederholt nicht gut verhalten. Es ist die eine Sache, dass man scheinbar nicht in der Lage war, nach der Heynckes-Absage (Ende des letzten Jahres!) an einer Lösung für die neue Saison zu arbeiten. Schon das reicht aus, um dem Klub fehlende Professionalität vorzuwerfen. Die ganze Trainersuche offenbarte doch nur, dass die Pläne für die Zukunft eher limitiert sind. Auch die verschiedenen Kandidaten, die dabei mehr oder weniger vom FC Bayern kontaktiert wurden, lassen sich nicht zu einem Bild zusammensetzen. Offenbar hat man wild irgendwelche Namen diskutiert, und kam schließlich auf die Lösung, die am charismatischsten und gleichzeitig erfolgreichsten ist. Ich unterstelle der Führung, dass es kein strategisches Profil gab, nach dem gesucht wurde. Damit meine ich: Welchen Fußball sollen die Profis in Zukunft spielen? Was passt da zum Kader? Welche Spieler fehlen eventuell noch? Wer passt im Kader nicht dazu? Alleine die Tatsache, dass mindestens vier Jugendtrainer in der neuen Saison keinen Vertrag mehr haben, obwohl die meisten von ihnen große Erfolge feierten, zeigt doch nur, wie dilettantisch dieser Klub im Moment handelt. Die andere Sache ist dann die plötzliche Kovac-Verpflichtung, und wie sie zu Stande kam. Ich kann Bobics Ärger hier nachvollziehen. Das Geschäft wird immer absurder – nicht nur beim FC Bayern. Allerdings sollte man auch mal bei Bobic persönlich nachfragen, wen er im Winter meinte, als er behauptete, den neuen Bayern-Trainer zu kennen.
Sandro Wagner schießt derzeit Tore wie am Fließband. Sehen wir ihn im Sommer in Russland?
Hoffentlich. Wagner schließt eine riesige Baustelle, und ich bin sehr dankbar, dass er zum FC Bayern gewechselt ist. Er lebt in München – so schmalzig das klingen mag – seinen Traum. Ich persönlich kaufe ihm jedes Wort ab. Man darf ihn gerne in einigen Ansichten hinterfragen, aber dass er zu seinen Worten und Meinungen steht, finde ich beeindruckend. Dass er dann noch auf dem Platz abliefert, macht sein markantes Profil rund. Jogi Löw würde dieser Spielertyp ebenfalls sehr helfen, deshalb glaube ich, dass der Nationaltrainer die richtige Entscheidung treffen wird.
Wer gedacht hat, nach der Meisterschaft lasst Ihr die Zügel in der Liga schleifen, sah sich nach dem 5:1 gegen Gladbach vom Gegenteil überzeugt. Überrollt ihr jetzt auch Hannover?
Man muss da immer vorsichtig sein. Solche Ergebnisse entstehen vor allem dann, wenn bei den Bayern alles funktioniert, und der Gegner nicht den besten Tag erwischt. Ich traue Hannover durchaus zu, dass sie den Münchnern das Leben schwer machen können. Dafür brauchen sie die richtige Mischung aus Mut und Glück. Bayern hatte zuletzt Probleme, wenn sie früh hoch attackiert wurden. Da liegt für Hannover besonders die Möglichkeit, wenn Heynckes wieder rotiert. Meist entsteht dann eine uneingespielte Elf, die ihren Rhythmus finden muss. Wenn 96 dann direkt zupackt, und vielleicht ein oder zwei Tore schießt, ist das auswärts oft eine andere Geschichte als in München. Klar ist aber auch, dass die Bayern deutlicher Favorit sind. Es muss einiges zusammenlaufen, dass Hannover gewinnt.
96 hat mit dem Sieg gegen Werder und den Punkt in Stuttgart, den freien Fall gestoppt. Ist die Breitenreiter-Elf durch, oder kann sie noch unten reinrutschen?
Für gewöhnlich passiert immer das Gegenteil, wenn ich sage, dass etwas durch ist. Aber es müssen schon absurde Dinge passieren, dass Hannover noch absteigt. Köln und Hamburg sind so gut wie direkt abgestiegen, Mainz, Wolfsburg und Freiburg befinden sich in einem Schneckenrennen, und selbst in einer unwahrscheinlichen Relegation traue ich Hannover zu, souverän die Klasse zu halten. Das war vor der Saison anders. Ich sah 96 tatsächlich als Favorit für den Abstieg. Aber wie gesagt: für gewöhnlich passiert oft das Gegenteil von dem, was ich als klare Kiste empfinde.
Auf welche Spieler muss die Bayern-Defensive eventuell besonders aufpassen?
Ich bin tatsächlich kein Freund davon, einen Spieler herauszuheben. Breitenreiter hat es über weite Phasen der Saison geschafft, ein relativ stabiles Team zu formen. Bayern wäre gut beraten, sich nicht zu viele Ballverluste zu erlauben. In Umschaltmomenten ist Hannover stets in der Lage, die dann ungeordnete Formation der Münchner auszunutzen. Würde ich jetzt dazu gezwungen, jemanden zu nennen, der mir gefällt, wäre dies womöglich Salif Sané, der für mich eine tolle Saison spielt. Er kann mit dem Ball ein bisschen was anfangen, und stand in der besten 96-Phase für die Stabilität. Mit 3 Saisontreffern muss man den zumindest bei Standards auf dem Zettel haben. Die Defensive sollte sich sonst einfach darauf konzentrieren, bei Umschaltmomenten direkt in ein gutes Gegenpressing zu gehen. Und wenn ich von Defensive spreche, meine ich die gesamte Elf.
Was für ein Spiel erwartest Du am Samstag?
Ich wäre nicht überrascht, wenn die Bayern wieder etwas Anlaufzeit bräuchten. Zudem hoffe ich, dass Hannover daran interessiert ist, den Meister früh zu stören. Nicht etwa, weil es den Münchnern Räume bieten würde – okay, vielleicht auch ein bisschen. Aber vor allem wäre die Wahrscheinlichkeit dann sehr groß, dass wir ein tolles Fußballspiel sehen. Für Hannover geht es noch um richtig was, für die Bayern maximal darum, sich für höhere Aufgaben zu empfehlen. Darin liegt die große Chance für 96.
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Zum Schluss Dein Tipp, bitte: Wie geht die Partie aus?
Ihr ringt unserer zu spät in den Rhythmus kommenden Mannschaft ein 2:2 ab, und Bayern gewinnt dafür das Hinspiel gegen Real Madrid mit einem furiosen 3:1. Keine Widerrede! Das ist jetzt so gekauft.
Die Lieblingsfolgen vom 96Freunde-Podcast mit Altin Lala, Florian Fromlowitz und Ewald Lienen. Viel Spaß beim Reinhören!
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