EM 2024: Der Sieg in der Niederlage

Football’s Coming Home oder die Rückkehr des Wir-Gefühls mit Niklas Füllkrug.

ein Kommentar von Christian Heuer

Am vergangenen Freitag ist die deutsche Fußball Nationalmannschaft nach einer denkbar unglücklichen Niederlage im Viertelfinale der Heim-EM nach Verlängerung gegen Titelfavorit Spanien ausgeschieden. Dieses Ergebnis klingt nach den desolaten Ergebnissen der vergangenen Jahre als recht erwartbar. Ein genauerer Blick auf die Leistung und das Innenleben der Mannschaft sowie die Stimmung im Land offenbart jedoch ein ganz anderes Bild. Was selbst kühnste Optimisten noch vor einem halben Jahr für sehr unwahrscheinlich hielten, hat das DFB-Team in kürzester Zeit hinbekommen – Fußball-Deutschland wieder zum Leben zu erwecken.

Fußball ist in diesem Land weit mehr als das eigentliche Spiel mit dem Ball. Er erzeugt Emotionen, verbindet Menschen und ist für viele ein gewisser Stimmungsindikator sowie ein Ausbruch aus dem Alltag. In keinem anderen Land sind die Fußballstadien über alle Ligen hinweg so gut gefüllt wie in Deutschland. Flächendeckend tritt dieses Phänomen besonders bei Welt- und Europameisterschaften auf, wo sich das Land über Vereinsfarben hinweg gerne als Einheit zeigt und 2006 „mit dem Herz in der Hand und der Leidenschaft im Bein“ bereits Sommermärchen erschaffen hat.

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In diesem Sommer ist es Trainer Julian Nagelsmann gelungen, mit klarer Kommunikation sowohl intern zur Mannschaft, als auch extern zu den Medien seine Entscheidungen nachvollziehbar zu begründen und somit ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl zu schaffen. Die damit einhergehenden weichen Faktoren wie Authentizität, Teamgeist, Spaß im Miteinander, Ehrgeiz, Demut, Kampfgeist und Begeisterung prägen das neue Teamgefüge der Nationalmannschaft. Persönliche Befindlichkeiten und Egoismen werden hintenangestellt. Die Ersatzspieler sind genauso leidenschaftlich bei den Spielen dabei wie die Spieler auf dem Feld. Und genau diese Tugenden werden von Fans und Gesellschaft sehr genau wahrgenommen und honoriert, besonders da sie jahrelang im Verborgenen lagen.

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EM im eigenen Land: Füllkrug steht sinnbildlich für neuen Enthusiasmus

Neben Trainer Nagelsmann steht ein Spieler sinnbildlich für die zurückgewonnene Begeisterung im Land – der gebürtige Hannoveraner und ehemalige 96er Niklas Füllkrug. Noch vor vier Jahren in der zweiten Liga, entwickelte sich Füllkrug entgegen allen Fußball-Gesetzmäßigkeiten erst mit Ende 20 zum Toptorjäger der Bundesliga und folglich zum Nationalspieler. Und genau dieser Werdegang prägte die Persönlichkeit des Stürmers und macht seine Geschichte so besonders. Denn neben der sportlichen Leistung verkörpert Füllkrug genau die oben beschriebenen Eigenschaften, wie kaum ein Zweiter. Er stellt die eigenen Ansprüche, als bester Torschütze der DFB-Elf in den letzten zwei Jahren Startelfspieler zu sein, hintenan, ist ein überragender Teamplayer, überzeugt in Interviews mit seiner sympathischen Art und steht somit sinnbildlich für das neue Wir-Gefühl in der Nationalmannschaft. Geprägt durch die EM.

Auch in der bittersten Stunde, der EM-Niederlage gegen Spanien, erwiesen sich Trainer und Spieler als gute Verlierer. In den Interviews nach dem Spiel wurden die Fragen der Reporter zwar tief betroffen, aber sehr authentisch und volksnah beantwortet. Es wurde primär das Positive hervorgehoben, sowohl die guten sportlichen Leistungen als auch die erzeugte Euphorie im Land, statt die überaus fragwürdige Schiedsrichterentscheidung des nicht gegebenen Handelfmeters in den Mittelpunkt zu stellen. Denn so bitter die Niederlage auch ist, letztlich sind es genau diese Aspekte, welche die Zuschauer honorieren und mit der Mannschaft zu einer Einheit werden lassen.

Am Ende waren es genau diese Auftritte, die Leidenschaft, der Kampfgeist und die Authentizität, die Fußballdeutschland wieder näher zusammengebracht haben. Denn am Ende sind die weichen Faktoren ebenso wichtig wie das bloße Ergebnis. Und da haben sich die Nationalmannschaft und das ganze Land bei dieser EM von ihrer besten Seite gezeigt. Dies hinterlässt doch ein ebenso gutes Gefühl wie ein möglicher EM-Titel und ist zudem eine tolle Basis für die kommenden Jahre. Durch die Ausrichtung dieser EM in Deutschland und die wieder entfachte Begeisterung im Land mit einem neuen Wir-Gefühl lässt es sich gemeinsam singen „Football’s Coming Home“.

Also Danke Niklas Füllkrug, Julian Nagelsmann und der gesamten deutschen Nationalmannschaft für die Leistung!