Es hatte sich bereits angedeutet, nun ist die Tinte trocken. Torwart Ron-Robert Zieler wechselt zurück an seine alte Wirkungsstätte. Ex 96-Manager Horst Heldt lockt den 31-Jährigen vorerst für eine Saison zum 1. FC Köln, was in einem Jahr sein wird, wird man seiner Aussage nach „dann sehen“. Die letzten Tage als Spieler von Hannover 96 waren für Ron alles andere als angenehm. Angefangen hat alles mit der doch etwas merkwürdigen Rückholaktion von Michael Esser, später musste er sich die überhebliche und taktlose Kritik von Klub-Boss Martin Kind gefallen lassen. Es steht noch in den Sternen, ob der Abschied ein Abschied für immer ist, allerdings hat seine doch erfolgreiche 96-Zeit einen solchen unharmonischen Schlussstrich nicht verdient…
In den letzten Wochen durfte man sich zu Recht hinterfragen, ob Hannover 96 in Sachen Sensibilität im Umgang mit den eigenen Spielern überhaupt etwas gelernt hat. Die Worte, man hätte Zieler „gar nicht verpflichten dürfen“, brechen einem nach wie vor das Herz. Die Leistungen des gebürtigen Kölners mal dahingestellt, ein solcher zwischenmenschlicher Umgang gehört sich nicht – schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Völlig gerechtfertigt schaltete sich mitunter das Spieler-Bündnis um Mats Hummels, Sven Bender, Almuth Schult und Co. ein und kritisierte Kinds Worte scharf. Das Statement im Wortlaut:
„Ich bin tief betroffen‘, sagte Martin Kind vor einiger Zeit in Erinnerung an den Selbstmord von Robert Enke, um dann jetzt Ron-Robert Zieler öffentlich zu diskreditieren. Ohne ein Mindestmaß an Anstand, Respekt und Professionalität, insbesondere gegenüber einem ehemaligen Nationalspieler und Weltmeister. Im Nachgang kam dann noch die allzu gängige Begründung „Als Profi müsse man das hinnehmen“, die einen zwangsläufig zur Frage bringt, ob nicht ein Mindestmaß an sportlichen Grundwerten vonnöten wäre.“
Wenig später ruderte Kind in einem Sport1-Interview zwar zurück („Ich hätte es sensibler formulieren können“), seine anfängliche Aussage revidiert dies jedoch in keiner Weise. Der psychische und mentale Druck, welcher in den letzten Tagen auf unserer ehemaligen Nummer 1 lastete, dürfte neben den sportlichen Perspektiven der zweite schwerwiegende Beweggrund für den Wechsel gewesen sein. Das Kapitel ist nun (vorerst) geschlossen, wir wollen uns daher noch einmal den positiven Zeiten von Ron-Robert Zieler im Trikot von Hannover 96 zuwenden.
Insgesamt absolvierte der Schlussmann 253 Partien in insgesamt vier Wettbewerben (1. Liga, 2. Liga, DFB Pokal, Europa League) für die Roten. Die Reise begann im Sommer 2010, als das Gespann Slomka/Schmadtke ihn ablösefrei von Manchester United verpflichtet. Am 16.01.2011 feierte der damals 22-jährige Zieler sein Startelfdebüt für Hannover 96 – mit vollem Erfolg. In Frankfurt gewann man durch Tore von Schulz, Ya Konan und Abdellaoue sehr souverän. Debütant Zieler hielt sein Tor sauber. Die restliche Saison war ein Märchen, am Ende belegte die Truppe einen sensationellen vierten Tabellenplatz. Die Spielzeit 11/12 verlief ähnlich gut, ein zweites Mal hintereinander qualifizierten sich die Niedersachsen für den europäischen Wettbewerb.
Apropos internationale Spiele, im gleichen Zeitraum stieg Zieler zum Nationalspieler auf. Seine starken Leistungen im 96-Dress wurden von Joachim Löw erstmals am 11.11.2011 honoriert, beim 3:3 gegen die Ukraine stand er über die volle Distanz zwischen den Pfosten. Das absolute Highlight folgte dann im Sommer 2014, ein Hannoveraner-Jung holte tatsächlich den WM-Titel. Die Basis für seinen persönlichen Erfolg wurde in Hannover geschaffen -die Beziehung zwischen dem Spieler und Hannover 96 wird daher immer etwas Besonders bleiben.
Nach dem Abstieg 15/16 folgte dann die erste kleine Schlammschlacht. Zieler erhielt die Möglichkeit beim damaligen Überraschungsmeister Leicester City anzuheuern und in der Königsklasse aufzulaufen. Aus persönlicher Sicht das Nonplusultra. Im Endeffekt entschied sich der Keeper für einen Wechsel auf die Insel, dem stetigen Vertrauen des Vereins gegenüber Zieler wurde dieser Wechsel nicht gerecht. Die Mission Wiederaufstieg glückte auch ohne den Weltmeister, dessen Zeit in England zu einem Desaster wurde. Insgesamt konnte er nur neun Einsätze mit insgesamt 16 Gegentoren verzeichnen.
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Wenig überraschend folgte nach nur einem Jahr ein erneuter Wechsel, ausgerechnet zum Ligakonkurrenten VfB Stuttgart. Die Schwaben schafften indes mit 96 den direkten Wiederaufstieg, wirklich Fuß konnte der Schlussmann hier aber ebenfalls nicht fassen. Nach einer durchschnittlichen Saison 17/18, kassierte er in der Spielzeit 18/19 70 Gegentore in 34 Spielen. Nach der verlorenen Relegation und dem Abstieg in die zweite Liga wurde er aussortiert. Mit Hannover 96 bot seine „alte Liebe“ ihm einen neuen Vertrag an, für 750 Tsd. Euro wurde die Rückholaktion abgewickelt. Ausschlaggebend war sein Mentor Mirko Slomka, welcher jedoch wenige Wochen nach dem Transfer seine Sachen packen musste. Die an den Transfer geknüpften Erwartungen waren (auch aufgrund seiner Geschichte in Hannover) groß, erfüllt werden konnten sie nicht. In 2.790 Spielminuten musste Zieler 45-Mal hinter sich greifen, die angestrebte Rückkehr in das Oberhaus wurde verpasst…
Der Wechsel zum 1. FC Köln ist ein Neuanfang nach turbulenten Jahren. Beim Bundesligisten ist er als Nummer zwei hintern Timo Horn eingeplant, allerdings hat er die Ambition zu spielen. Im Umfeld des FC will er zu alter Stärke gelangen, im Optimalfall könnte er den Hannoveranern im kommenden Jahr weiterhelfen. Allerdings dürften die letzten Wochen einen Bruch zwischen der Vereinsführung und dem Torwart hervorgerufen haben – eine Rückkehr scheint nach jetzigem Kenntnisstand eher unrealistisch. Auch innerhalb der Redaktion hat der Umgang mit der Personalie Zieler für viel Wirbel gesorgt. Zur Einordnung folgen drei Statements von Dennis Draber, Christian Herde und André Kahle.
„Die einjährige Leihe von Zieler nach Köln ist ein (vorläufiger) Schlussstrich unter eine Baustelle, die Hannovers sportliche Leitung erst unnötig aufgemacht und dann schlecht gehandhabt hat. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es viele Verlierer: Allen voran Ron-Robert Zieler, dessen passabler Ruf durch Kinds Äußerungen beschädigt ist; Geschäftsführer Martin Kind, der eine Blaupause dafür geliefert hat, wie man mit langgedienten Mitarbeitern nicht umgehen sollte, Trainer Kenan Kocak, der keine Begründung für seine These geliefert hat, warum Zieler mehr als 10 Punkte gekostet haben soll. Vielleicht wendet sich nächste Saison vieles zum Guten – Zieler verdrängt erfolgreich Horn als Nummer 1 in Köln, Kind lernt aus seinem Fehltritt und verhält sich bei den nahenden Abschieden von Bakalorz und Prib anders, Esser liefert trotz fehlender Spielpraxis die von Kocak erhofften Leistungen. Nicht auszumalen, wie das gegenteilige Szenario aussehen würde. Zunächst bleibt ein extrem bitterer Beigeschmack, was den menschlichen Umgang mit verdienten Spielern wie Ron-Robert Zieler angeht“. (Dennis Draber)
„Der Umgang mit Ron-Robert Zieler war unmenschlich, wofür in erster Linie Martin Kind verantwortlich ist. Trainer Kocak wird sich freuen, dass sich das Wechselspiel letztendlich nicht sehr lange hingezogen hat. Was den sportlichen Aspekt angeht, wurde Zieler durch einen ungefähr gleichwertigen Torwart ersetzt. Wie gut Michael Esser nach einem Jahr auf der Bank ist, wissen wir noch nicht – aber auch Zieler hat in den letzten Jahren etwas abgebaut und wird sich unter normalen Umständen nicht gegen einen (allerdings auch schwächer gewordenen) Timo Horn durchsetzen können“. (Christian Herde)
„Eine Win-Win Situation?! 96 gibt einen teuren Ersatzspieler ab, der keine Perspektive mehr hat, und der FC Köln bekommt dafür einen tollen Back Up für ihren in der Kritik stehenden Keeper. Alles gut also?
Jedoch nur auf dem ersten Blick.
Wer genauer hinsieht, der erkennt, dass hier alle Seiten etwas verloren haben und keiner als Gewinner dieses unrühmliche Kapitel beendet.
Nicht 96, die einen guten Keeper und viel Reputation verloren haben, nicht Kind, der mal wieder bewiesen hat, dass Reden Silber, aber Schweigen Gold gewesen wäre. Nicht Köln, der für ein Jahr einen Keeper als Nummer 2 kommt, aber bei vielen Fans als Alternative zu Horn gehandelt wird. Nicht RRZ, der seinen Stammplatz verlor und nun im besten Torwartalter ein Bankspieler wird.
Es gibt unter dem Strich nur Verlierer (außer Esser) – und wieder einmal zeigt H96, was es aktuell gut kann: Lose-Lose Situationen!“ (André Kahle)
Das Torwartkarussell hat sich in der Zwischenzeit munter weitergedreht. Am heutigen Freitag hat man Nachwuchskeeper Marlon Sündermann mit einem Profivertrag ausgestattet. Der 22-Jährige hat vorerst für ein Jahr unterschrieben, allerdings dürften seine Perspektiven in Hannover nicht all zu schlecht sein. Vorerst läuft er weiterhin für die U23 der Roten auf, Einsätze in der A-Mannschaft sind aber keineswegs unrealistisch.
Der Radikalumbruch geht auch an anderer Stelle weiter: Ex-Kapitän Marvin Bakalorz verlässt Hannover 96, der japanische Nationalspieler Sei Muroya kommt. Dazu morgen mehr…
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