Sachliche Kritik am Trainer muss erlaubt sein. Ein Kommentar.

Daniel Stendel trainierte bis zu März 2017 die Mannschaft von Hannover 96. Foto: Getty Images

Platz 2 in der zweiten Bundesliga klingt gut. Falls die Tabelle am Saisonende so aussieht, könnten die Verantwortlichen rückblickend sagen: Alles richtig gemacht! Aber ganz so einfach ist es leider nicht. Ein Kommentar.

Dieser Artikel soll keine Generalkritik und keine Nörgelei sein. Denn – notorische Nörgler gibt es leider einige im Umfeld von Hannover 96.

Sei es die BILD, die seit dem ersten Spiel von Stendel gegen ihn schießt, weil ihr Lieblingstrainer Mirko Slomka nicht von Hannover verpflichtet wurde.

Seien es einige Anhänger, die seit der ersten Niederlage im August 2016 an Stendel rummeckern und ihn ihm nur einen Jugendtrainer sehen (und dabei vergessen, dass auch ein Meistertrainer wie Thomas Schaaf keine Garantie für Erfolg ist). 

Nein, ein Trainerwechsel zum jetzigen Zeitpunkt ist der falsche Weg. Es wäre eine Operation am offenen Herzen. Etwas, was nur misslingen kann. Die Mannschaft steht hinter Stendel, sonst würde sie nicht jedes bisschen Kraft mobilisieren, sobald sie in Rückstand gerät.

(Wer jetzt behauptet, das sei kein Argument, weil die Spieler ohnehin für ihren Arbeitsplatz kämpfen, sollte sich einfach nochmal die Spiele unter Thomas Schaaf anschauen. Auch in den ersten Schaaf-Spielen, als Hannover noch nicht als Absteiger feststand, stellten die Spieler nach einem Ein-Tore-Rückstand das Spielen ein, weil der Trainer die Mannschaft nicht motivieren konnte, zu kämpfen. Das ist unter Stendel definitiv nicht zu beobachten.)

Die Forderung, jetzt Stendel zu feuern und zu versuchen, einen André Breitenreiter zu verpflichten (einige hartnäckige Stendel-Kritiker fordern das immer wieder), ist doppelt naiv:



Nicht nur, weil es die Mannschaft ohne Not verunsichern würde. Sondern auch, weil niemand weiß, ob Breitenreiter wirklich zur Verfügung stünde. Schon nach der Entlassung von Korkut scheiterte eine Verpflichtung von André Breitenreiter in der Bundesliga. Die Blockadehaltung von Manager Dirk Dufner, der von Breitenreiter nichts hielt, spielte damals eine wesentliche Rolle. (Weil Präsident Martin Kind seinem Manager Dirk Dufner nicht widersprach, dürfte Breitenreiter das nicht als Vertrauensbeweis empfunden haben). Damals spielte 96 in der ersten Bundesliga und Breitenreiter war noch nicht als Schalke-Coach in den internationalen Fokus gerückt. Jetzt spielt 96 in Liga 2 und Breitenreiter könnte auch jederzeit einen Job in England annehmen. Dass er gerade jetzt zu Hannover will, nachdem es vor zwei Jahren mit einer Verpflichtung schon nicht geklappt hatte, ist deshalb ziemlich unrealistisches Wunschdenken.

Und trotzdem muss man hinterfragen, ob Hannover personell so klug aufgestellt ist. Daniel Stendel ist ein ausgezeichneter Motivator. Das hat er mehrfach eindrucksvoll bewiesen. Aber Stendel ist kein Taktikfuchs.

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Wohin es führt, wenn man sich taktisch komplett verweigert, auf den Gegner einzugehen, war bei dem ernüchternden 2:2 gegen Arminia Bielefeld zu sehen. Gegen Dresden hat Stendels abwartendes 4-5-1-System Sinn gemacht. Dass dieses System gegen tiefstehende, auf Konter lauernde Bielefelder keinen Sinn ergibt, das hätte jeder ordentliche Co-Trainer erkannt. Doch bei Hannover 96 fehlt es hier offensichtlich an jemandem, der mit Stendel über solche Sachen diskutiert. Stendel bräuchte einen taktisch geschulten Sparring-Partner an seiner Seite. Entweder einen erfahrenen Co-Trainer wie einen Lorenz Günther-Köstner oder einen Sportdirektor mit langjähriger Bundesliga-Erfahrung und einem Trainerschein.

Beides hat Hannover nicht. Kaderplaner Christian Möckel hat nie eine Nachwuchs- oder Regionalliga-Mannschaft trainiert. Geschäftsführer Martin Bader ist studierter Sport-BWLer, der bei einem Sportrechte-Vermarkter seine ersten Karriereschritte gemacht hat. Die Sportdirektor-Position ist seit langem unbesetzt. Hannovers Co-Trainer Markus Gellhaus wurde zuvor nach drei Monaten Cheftrainertätigkeit beim SC Paderborn entlassen.  

Unterm Strich:




Stendel hat nicht gerade geballte Fußballfachkompetenz um sich.
Zumindest niemanden, von dem er sich noch etwas abschauen könnte. Niemand, der mit ihm auf Augenhöhe über taktische Belange diskutieren kann. Wie fruchtbar und hilfreich es aber ist, wenn zwei Typen mit Fußballkompetenz sich auf Augenhöhe austauschen können, sieht man zum Beispiel beim FC Köln: Hier bildet der spielerfreundliche Motivator und Trainer Peter Stöger mit dem kühlen gewieften Analytiker Jörg Schmadtke ein erfolgreiches Duo. Einen spielerfreundlichen Motivator und Trainer hat Hannover 96 mit Daniel Stendel auch. Nur keinen kühlen gewieften Analytiker als Gegenstück. 

Deshalb muss Kritik an der jetzigen Gemengenlage erlaubt sein – schon allein deshalb, damit im Falle eines Aufstiegs mehr Sportkompetenz in die Führungsriege kommt, um im Abstiegskampf im ersten Jahr Bundesliga bestehen zu können.

 

96-Trainer Daniel Stendel ist auf sich allein gestellt. Foto: Mueller/Bongarts/Getty Images

Eine Generalkritik an Stendel ist aber verfehlt. Wer behauptet, die Mannschaft hat sich unter ihm nicht weiterentwickelt, sollte einfach nur mal 12 Monate, nur eine einzige Saison zurückblicken. Das ist selbst im Profifußball kein allzu langer Zeitraum. Damals waren mit Kiyotake oder Zieler zwar fußballerisch bessere Spieler auf dem Platz, aber Hannover spielte schlechter als heute.  

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Jede Wette, dass sich Hannover damals nicht ein 2:1 gegen Dynamo Dresden erkämpft hätte!

Stendel hat die Mannschaft verjüngt. Er war es, der einen Sarenren Bazee oder einen Waldemar Anton entdeckt und nach oben gebracht hat. Dass Martin Bader und Christian Möckel ihm trotz reichlichem Budget – die 6,5 Millionen Verkaufserlös für Kiyotake stehen immer noch bereit – bis auf Martin Harnik (und eingeschränkt Marvin Bakalorz) keinen Top-Transfer für die schwierige Mission Aufstieg zur Verfügung stellen konnten, ist Schuld des Sportmanagements, aber nicht des Trainers.

Stendel bräuchte jemandem, mit dem er auf Augenhöhe über Taktik und die spielerische Ausrichtung des Teams diskutieren kann. Motivation und Kampfesgeist der Mannschaft zu entlocken, darin ist Stendel ein Profi. Dass so etwas nicht als selbstverständlich anzusehen ist, konnte man in Hannover an den Beispielen Schaaf und Korkut sehen.

Doch für die letzten 10% an taktischem Feinschliff braucht Stendel einen Austauschpartner, einen Sparring-Partner, einen kühlen Analytiker. So eine Persönlichkeit fehlt offenbar im Umfeld von Hannover 96.



Die Lieblingsfolgen vom 96Freunde-Podcast mit Altin Lala, Florian Fromlowitz und Ewald Lienen. Viel Spaß beim Reinhören!

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1 Kommentar

  1. Genau meine Meinung- Stendel braucht einen Taktik- Co- Trainer an seiner Seite, damit er in seiner tollen Arbeit unterstützt wird! Eine Mannschaft, die so kämpft, hat es verdient aufzusteigen! 

     

     

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