„Gratulieren Sie Braunschweig zum Aufstieg?“ „Nein!“ Schmiedebach auf den Spuren von Cherundolo

Ex-Kapitän Steve Cherundolo weiß um die Rivalität zwischen 96 und Braunschweig. Als Kapitän gratulierte er Braunschweig 2013 zum Aufstieg nicht. Von Blanke96 - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16029956

Ex-Kapitän Steve Cherundolo weiß um die Rivalität zwischen 96 und Braunschweig. Als Kapitän weigerte er sich, Eintracht Braunschweig 2013 zum Aufstieg zu gratulieren. Auf die Frage „Gratulieren Sie Braunschweig zum Aufstieg?“ sagte er sekundenlang nichts, um dann schelmenhaft hinterherzuschieben: „Nein.“

Mit dieser nicht ganz sportlichen, aber lustigen Aktion sicherte Cherundolo sich endgültig die Herzen der Fans.

Gestern vor dem Auswärtsspiel gegen St. Pauli gab es eine ähnliche Situation, dieses Mal mit dem amtierenden Kapitän Manuel Schmiedebach. Auf die Frage von Felix Zwayer, welche Seite der gelb-blauen Münze er denn gerne hätte, antwortete er trocken: „Beides scheiße.“

Physiotherapeut Ralf Blume hat diese lustige Szene als Video festgehalten:

Wer sich jetzt fragt, woher die Rivalität zwischen Hannover 96 und dem blauen-gelben Braunschweig kommt, hier eine Zusammenfassung (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

Grund 1: Der Adel im Mittelalter

Im Jahr 1140 wurde Braunschweig die Hauptstadt des Herzogtums Sachsen, das sich damals über den Nordwesten des heutigen Deutschlands erstreckte.

Heinrich der Löwe hatte Braunschweig zu seiner Residenzstadt erwählt. Braunschweig war mit 20.000 Einwohnern damals eine Großstadt, Hannover jedoch unbedeutend.

Das änderte sich im Laufe der Jahrhunderte. Weil der Herzog Friedrich Ulrich im 17. Jahrhundert keine Nachfahren gezeugt hatte, erlosch die Wolfenbüttler Linie des Hauses Braunschweig.

Herzog Georg von Calenberg wählte 1636 die Stadt Hannover als Residenz, so dass sich Macht und Einfluss zunehmend von Braunschweig nach Hannover verlagerte.

2. Vergiftete Nachbarschaft

Das nahmen die Braunschweiger nicht ohne weiteres hin: Sie versuchten sich mit Frankreich gegen Hannover zu verbünden und so mit einem Aufstand die Macht wiederzuerlangen. Die Hannoveraner schlugen den Aufstand jedoch mit Waffengewalt nieder. (Quelle: Andreas Buchal, „Eintracht Braunschweig vs Hannover 96 – Über die Rivalität zweier Traditionsvereine“, Verlag Günther Hempel)

Spätestens jetzt war die Grundlage für tiefe Abneigung der geografischen Nachbarstädte gelegt. Dabei sind kuriose Szenen entstanden, die der Autor Andreas Buchal in einem Gastartikel für 11Freunde mit den folgenden Worten schildert:

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„Die hannoverschen Zöllner kontrollierten alle Braunschweiger, die mit dem Zug unterwegs waren, in aller Ruhe und Gründlichkeit. Dabei verzögerten sie die Kontrollen so lange, dass der Zug bereits wieder abfuhr und die Koffer nachgeschickt werden mussten. Auch die Braunschweiger Zöllner nahmen ihren Beruf sehr ernst und kontrollierten die Hannoveraner Wagen so penibel an der Grenze, dass sich die Wagen kilometerlang stauten und zeitweise sogar bis zu acht Tagen warten mussten.“

3. Gründung von Niedersachsen: Braunschweig muss sich unterordnen

Niedersachsen gab es in seiner heutigen Form erst ab 1946.

Vorher gab es auf dem heutigen niedersächsischen Gebiet vier eigenständige Länder: Neben der preußischen Provinz Hannover waren das das Großherzogtum Oldenburg, das Herzogtum Braunschweig und das Fürstentum Schaumburg-Lippe, die bis zum zweiten Weltkrieg ihre territoriale Autonomie innerhalb Deutschlands inne hatten.

Es wurde lange diskutiert, wie diese vier Länder nach Ende des zweiten Weltkriegs aussehen sollten:

Eine Lösung war die Bildung eines Landes Niedersachsen, das möglichst große Gebiete in der Mitte der britischen Besatzungszone abdecken sollte, vor allem die vier Länder Hannover, Oldenburg, Braunschweig, Schaumburg-Lippe.

Eine zweite Lösung war ein Drei-Länder-Modell: Es sah die Gründung eines Bundeslandes „Weser-Ems“ vor, das aus Bremen, dem Land Oldenburg und den Bezirken Aurich und Osnabrück bestehen sollte. Dazu sollte neben einem hannoverschen Land ein vergrößertes Land Braunschweig entstehen. Zu diesem Land Braunschweig hätten auch Hildesheim und Gifhorn dazu gehört.

 

Am Ende war die erste Lösung mit Hannover als Landeshauptstadt mehrheitsfähig. Wäre die zweite Lösung umgesetzt worden, würde das Gebiet des heutigen Niedersachsens aus drei flächenmäßig etwa gleich großen Ländern bestehen – und Braunschweig wäre eigenständig geblieben.

4. Die Bundesliga-Gründung:

Die Rivalität zwischen Hannover und Braunschweig gab es also schon lange, bevor sich der Fußball als Volkssport durchgesetzt hatte.

1962/63 wurde mit der Bundesliga-Gründung und der höchst strittigen DFB-Entscheidung zugunsten von Eintracht Braunschweig als Gründungsmitglied (objektiv hätten es Hannover 96 oder der VfL Osnabrück werden müssen) der Grundstein für die sportliche Rivalität gelegt.

5. Braunschweigs Schmach im Abstiegskampf

Die Konkurrenz auf dem Platz gab es nun schon seit zehn Jahren, doch eine Situation verankerte sich tief in der Seele der Hannoveraner und Braunschweiger Fans:

Der Abstiegskampf 1972/73. Erst am letzten Spieltag entschied sich, ob Braunschweig oder Hannover absteigen musste: Braunschweig lag in der Tabelle vor Hannover und spielte zu Hause gegen Düsseldorf.

Hannover 96 musste auswärts ran und holte einen nicht mehr für möglich gehaltenen 4:0-Sieg in Wuppertal („das Wunder von Wuppertal“). Braunschweig verlor zu Hause 1:2 gegen Düsseldorf, so dass die Löwen den bitteren Gang in die Zweitklassigkeit antreten mussten.

Es war eine Schmach für Eintracht Braunschweig, die 1967 noch Deutscher Meister geworden waren: Ausgerechnet durch ihre Heimniederlage durfte nun der Rivale Hannover 96 doch noch erstklassig bleiben.

Die Lieblingsfolgen vom 96Freunde-Podcast mit Altin Lala, Florian Fromlowitz und Ewald Lienen. Viel Spaß beim Reinhören!

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