Dem Hamburger SV droht der Abstieg. Für die Hanseaten wäre es das erste Mal seit Gründung der deutschen Bundesliga, dass sie den bitteren Gang in die zweite Liga antreten müssen.
Zwischen Hannover 96 und dem Hamburger SV besteht nicht nur eine regionale Nähe, sondern auch eine Fanfreundschaft. Grund genug, dass wir uns etwas genauer mit der Situation des Hamburger SV auseinandersetzen. Im ersten Teil dieses Textes erzählt Marcus „Scholle“ Scholz (rautenperle.com), wie die Gefühlslage beim Hamburger SV vor dem finalen Spieltag der diesjährigen Bundesliga-Saison aussieht. Im zweiten Teil dieses Artikels blicken wir einige Monate zurück – auf die enttäuschten Hoffnungen, die mit der Verpflichtung von Bernd Hollerbach verbunden und letztlich nicht in Erfüllung gegangen waren.
Teil 1: Einblicke in das Seelenleben eines HSV-Fans
Ein hartes Los
Relegation zu spielen ist hart. Zwei Spiele, in denen alles passieren kann. So, wie wir Hamburger es gegen Fürth (mit Slomka) und noch mehr gegen Karlsruhe (mit Labbadia) durchleiden mussten. Jeweils mit einem glücklichen Ausgang, okay. Aber der Weg dahin war schon so, dass wir alle gesagt haben: „Darauf können wir sehr gut verzichten.“ Und trotzdem sind wir aktuell wieder in der Situation, dass wir uns das wünschen müssen, was wir nie wieder haben wollten: die Relegation. Ein Sieg gegen Gladbach, parallel dazu muss Köln in Wolfsburg gewinnen. Es gab zweifelsfrei schon wahrscheinlichere Szenarien – aber es ist eben auch nichts auszuschließen, gerade nicht am letzten Spieltag. Und irgendwie beim VfL Wolfsburg sogar noch weniger als beim HSV, dem man ja nachsagt, so wirklich gar nichts auszulassen…
Hoffen auf Wolfsburgs Negativtrend
Tatsächlich ist die größte Hoffnung für das Wochenende die Lethargie in Wolfsburg. Wer schon mal da war, der weiß bei allem Respekt vor der sportlichen Leistung, dass der VfL nicht über das stimmungsvollste Publikum verfügt. Mannschaftsintern ist es schwer für die Verantwortlichen, Spieler zu finden, die sich mit Stadt, Fans und Klub identifizieren. Nicht selten müssen dafür hohe Gehälter herhalten, damit man seine Wunschspieler bekommt. Irgendwie kommt es eben alles immer ein wenig zusammengekauft rüber. Es wirkt auf mich irgendwie wie eine Neubausiedlung mit schönen Häusern – die alle gleich aussehen und trotz individueller Schönheit in Summe einfach eine Tristesse auslösen, die einige wenige vielleicht erfreuen kann, die aber die meisten irgendwann frustriert. Langweilig eben.
Hätten wir Titz doch schon früher geholt…!
„Bei uns ist die Stimmung in der Stadt so wie immer. Da ist es egal, ob Du gerade die Champions League gewinnst oder in die Amateurklassen absteigst“, hat mir ein ehemaliger Spieler des VfL Wolfsburg erzählt. Er lobte den Verein und die Verantwortlichen, die einen guten Job machen würden, aber im Ergebnis kommt das einfach nicht bei den Fans an. Anders als in Hamburg, wo die Fans das einzig konstant Erstklassige sind. 2000 Fans kamen zum Training am Vatertag und sangen ihre Jungs nach vorn, denen ein neuer Trainer das Leben eingehaucht hat, was man hier seit Jahren vermisst hat. Der HSV spielt sogar wieder Fußball. „Hätte der HSV ihn früher geholt, wäre der HSV niemals in der Situation von heute“, hat Matthias Sammer zuletzt gelobt und sich damit dem Tenor angeschlossen. Denn eine derartige Geschlossenheit hinter dem Trainer gab es ewig nicht mehr.
Deshalb macht Titz alles besser als Slomka oder Labbadia
Dass man mit Titz den Vertrag verlängert hat, macht Hoffnung. Es lässt hoffen, dass die Verantwortlichen endlich mal auf Inhaltliches und nicht auf Äußerliches setzen. Qualität und Kreativität anstelle teurer Einkäufe, die in den letzten Jahren in aller Regel floppen. Titz spielt erfrischenden Fußball, der auf Ballbesitz und Torchancen ausgerichtet ist. Kurzum: Titz verwaltet nicht, er gestaltet. Und allein das reicht schon, um sich von den letzten zehn Vorgängern soweit abzuheben, dass die Massen mitgehen. Mit einem neuen, in der Bundesliga noch unverbrauchten Trainer neue Wege gehen – das schafft eine Verbindung, die auch schwierige Phasen durchstehen lassen kann. Und das wäre der Abstieg allemal.
Der Hamburger SV ist dieses Mal auf den GAU vorbereitet
Was ich damit sagen will: Neben der weiterhin bestehenden Hoffnung auf die Relegation hat der HSV auch für den Fall der Fälle vorgearbeitet. Titz darf bleiben, was lange nicht sicher war. Und Titz steht für einen Neuanfang – unabhängig von der Liga. Und so schlimm der GAU auch wäre, er würde so zumindest ein wenig erträglicher, ohne wirklich genau zu wissen, was da auf mich zukommt. Zweite Liga – kennen wir hier ja noch nicht. Im Gegenteil, wir waren ja gefühlt bzw. behauptetermaßen das Gegenteil vom Zweitligisten. „Immer Erste Liga, HSV“, wird noch heute im Stadion gesungen. Und ich hoffe, dass das weiterhin stimmen wird.
Ein Neuanfang wird kommen, so oder so
Und selbst wenn es doch den GAU gibt, hoffe ich darauf, dass der Neuanfang auch endlich mal ein echter Neuanfang wird. Gefordert wird es seit Jahren – gemacht nie. Leider. Denn hier gibt es seit Jahrzehnten zu viele festgefahrene Strukturen, die aufgebrochen gehören. Titz ist da ein erster Schritt. Ein sehr guter weil wichtiger erster Schritt, der hoffen lässt – ligaunabhängig…
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Zum Abschluss Grüße nach Hannover
In diesem Sinne, liebe Freunde aus Hannover, drückt uns die Daumen, dass wir uns in der kommenden Saison und in den darauffolgenden Jahren weiterhin erstklassig begegnen.
Mit freundschaftlichen Grüßen, Euer Scholle von rautenperle.com
Teil 2: Ein Rückblick auf die Hoffnungen, die mit Bernd Hollerbach verbunden waren (Beitrag vom Februar 2018)
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Hollerbach orientiert sich eng an seinem Mentor Felix „Quälix“ Magath: Eine Grundtugend sei körperliche Fitness, betont der neue HSV-Trainer Bernd Hollerbach. Dennoch stehen die Karten eher schlecht für den HSV, schreibt unser Hamburger Gastkommentator Marcus „Scholle“ Scholz (rautenperle.com). Lest hier den pointierten Gastbeitrag von „Scholle“ über das kleine Nordderby Hamburger SV gegen Hannover 96 (Sonntag 18 Uhr)!
Der kleine HSV gegen den großen HSV – früher bedurfte das eigentlich keiner Erklärung, wer da wer ist. Heute jedoch muss man nachfragen. Denn der HSV aus Niedersachsen hat den aus Hamburg nicht nur tabellarisch hinter sich gelassen. Vielmehr entwickelt sich der HSV aus und in Hamburg ganz von allein zurück. Wo andere sich verbessern, Infrastrukturen ausbauen, Eigengewächse einbauen oder einfach noch mal personell nachlegen – da tritt der HSV auf der Stelle. Weil der einst so glamouröse Bundesliga-Dino zum Sammelbecken von Eitelkeiten, Egomanen und Indiskretionen geworden ist. Hier nimmt sich jeder seinen Teil – nur seine Leistung einbringen, das muss man nicht. Machen die anderen ja auch nicht im Selbstbedienungsladen HSV. Wobei, ein wenig kennt ihr das ja auch, oder?
Immerhin habt Ihr mit Martin Kind zweifelsfrei einen Hannover 96-Fan an der Spitze. Aber eben auch einen, der nicht einfach nur gibt, sondern kalkuliert. Dass die 50+1-Regel in absehbarer Zeit fällt, ist kein großes Geheimnis mehr. Aber selbst wenn es die DFL heute noch untersagt, ist es bei Hannover 96 doch nicht großartig anders als beim dummen HSV, der sich selbst abgeschafft hat, indem er sich in eine finanzielle Abhängigkeit gebracht hat, die er selbst nicht zurückzudrehen versteht. Siehe diesen Winter, wo der HSV dringendst Verstärkungen holen musste – und es nicht tat, weil Kühne blockte. Denn, das ist das Fatale an der aktuellen Situation, die hiesigen Verantwortlichen um Heribert Bruchhagen proben den Aufstand gegen Kühne in einem Moment, der hoffnungslos zu spät ist.
Und genau dieser Aufstand wird den HSV vom Dino zum Ex-Dino machen. Zumindest ist die Gefahr so groß wie nie zuvor – was bei uns als Relegationsabonnent schon was heißt. Insofern müssen wir hoffen. Darauf dass der HSV von Metzgermeister Bernd Hollerbach im letzten Moment doch noch von der Schlachtbank gezogen werden kann.
In Leipzig hat das einen vernünftigen Anfang genommen. Keinen überragenden, aber einen ordentlichen. Denn man ist nicht wie zuvor nach dem Gegentreffer auseinandergefallen. Im Gegenteil: Man konnte zurückkommen und brachte Leipzig auswärts an den Rand einer Niederlage. Und das mit den allereinfachsten Mitteln – denn darauf setzt Hollerbach. In jedem Training. Trockenübungen in Sachen Laufwege. Dazwischen immer wieder mal ein Lauf. „Körperliche Fitness gehört bei mir zur Grundtugend einer Mannschaft“, so Hollerbach, der sich in seiner Art erkennbar eng an der seines Mentors Felix „Quälix“ Magath orientiert.
Am Sonntag im Nordderby wird Magath, ääh… Hollerbach natürlich, wieder auf seine Dreierkette setzen, die defensiv zu einer Achterkette wird, da die beiden Außenverteidiger aus der Dreier- eine Fünferkette machen und die Mittelfeldspieler davor defensiv mitarbeiten. Nur die beiden Spitzen – wahrscheinlich werden es Wood und Kostic, hoffen tue ich auf Arp und Kostic – dürfen offensiv bleiben. Dennoch arbeitet zumindest Kostic oft auch noch mit nach hinten. Insofern: Schön wird es gegen Hannover sicher eher nicht. Aber das erwartet hier wirklich niemand mehr. Die Hoffnung regiert, auch wenn sie zweifelsfrei gelitten hat und sich selbst bei den Treuesten der Treuen eine gewisse Resignation breitmacht. Man wird hier einfach müde, an den HSV zu glauben, wenn man sieht, wie sich die Verantwortlichen darum bemühen, den Dino zu zerlegen. Hollerbach noch mal explizit ausgenommen.
Dass jetzt Hannover Hollerbachs Heimpremierengegner wird – okay. Es hätte leichter kommen können. Obwohl: Für diesen HSV ist kein Gegner mehr einfach. Für uns geht es wirklich ausschließlich darum, irgendwie die notwendigen Punkte bis zum Klassenerhalt einzusammeln und zuzusehen, dass irgendwie – leider fehlt nicht nur mir dafür aktuell die Fantasie – drei Mannschaften hinter dem HSV bleiben. So verdient der Abstieg angesichts der hier Un-Verantwortlichen auch wäre…
Nein, wenn ich sehe, wie sich in Hannover ein Kind den Verein unter den Nagel reißt und dabei gegen alle Widerständer derer, die diesen Verein ausmachen, dann tut das schon weh. Wenn ich dazu noch die hiesigen Umstände nehme, dann wird aus dem Nordderby ein echtes Notderby. Mit dem einen großen Unterschied, dass wir bis zum Ende gefährdet bleiben werden, während Ihr in sicheren Sphären landet.
In diesem Sinne, verzeiht es mir, ich wünsche Euch tatsächlich noch 13 Siege – aber unbedingt auch diese eine Niederlage am Sonntag. Wir brauchen die Punkte schlichtweg mehr als Ihr!
Bis Sonntag also! Ich freue mich auf Euch im Volkspark, Dennis! Viele Grüße nach Hannover, Scholle
Den HSV-Blog von Marcus „Scholle“ Scholz findet ihr hier: rautenperle.com
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