Letzte Woche kam eine neue Statistik des „Global Soccer Network“ heraus, das eng mit dem NDR zusammenarbeitet und unsere Nordclubs unregelmäßig auf Herz und Nieren analysiert. Darin wurde nun die Schattenseite unserer momentanen roten Euphorie aufgezeigt. Trügt der Eindruck über das zur Zeit formstärkste Team der 2. Liga? Ein Dämpfer in Zahlenform zur rechten Zeit? Und wie ist unter dieser Einschätzung das Spiel in Düsseldorf zu sehen? Spurensuche im Reich der Zahlen.
Nachdem unsere Roten am letzten Wochenende die Kollegen aus Osnabrück hochkant aus dem Niedersachsenstadion geschossen hatten, überschlug sich die heimische Hofpresse sofort mit Lobeshymnen über Spieler, Trainer, Platzwart, Würstchenbrater und alle anderen am Erfolg beteiligten Mitarbeiter vom Maschsee. Rund 4 Wochen nachdem noch die Entlassung des Trainers gefordert und die Mannschaft mindestens blutleer geschrieben wurde, träumen einige Sportjournalisten nun bereits wieder vom Aufstieg. Und viele Fans gleich kräftig mit. Doch ist Hannover 96 tatsächlich so viel besser geworden?
„Global Soccer Network“ lieferte dieser Tage nun den Gegenentwurf zur derzeitigen Euphorie. Ich muß sagen, daß ich großer Fan der Kollegen und ihrer Arbeit bin, diesmal aber etwas verwirrt war. In der Analyse wird wieder einmal betont, daß die Truppe von Stefan Leitl, ähnlich wie in der letzten Hinrunde, eine „Überperformance“ spielt. Das sagt aus, daß 96 mehr aus seinen tatsächlichen Werten macht, als auf dem Papier möglich. Dazu errechnet eine künstliche Intelligenz anhand von Fakten wie Laufleistung, Passquote, Torschüsse etc eine „expected performance“. Das ließ sich am Spiel gegen Osnabrück ganz gut ablesen: Hannover gewinnt das Spiel sensationell hoch, obwohl viele Zweikämpfe verloren gingen und der VfL zu einigen Torchancen kam. Der Laie spricht hier von „Hannover hatte mehr Glück als Verstand“, während es die KI „Überperformance“ nennt. Kommt beides aufs Selbe drauf hinaus.
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Als ich mich im Netz zu diesem Begriff informiere, finde ich einige Verweise auf größere Teams, die dank eines Top-Scorers eine Erfolgsserie hinlegen konnten, obwohl der Kader an sich keine herausragenden Werte bieten konnte. Robert Lewandowski zum Beispiel hatte die Bayern wohl mal besser dastehen lassen als sie wirklich waren.
Dieses Spielen über dem erwartbaren Mittel wird auch in Hannover durch starke Auftritte einiger Spieler in die Höhe getrieben. Selbiges Phänomen hatten wir schonmal im Laufe der letzten Hinrunde, wo durch gute Paraden und das Nutzen weniger Torchancen zeitweise ein Maximum an Punkten erreicht wurde. Spieler wie Cedric Teuchert, Ron-Robert Zieler, Derrick Köhn und Harvard Nielsen sind erneut effektiver als es die Zahlen erlauben, und deshalb steht 96 in der Tabelle besser da als es unsere tatsächliche, insgesamte Leistung hergibt. Da liefern wir nämlich größtenteils nur biedere Zweitliga-Kost und haben das Glück, daß RRZ uns mit starken Paraden im Spiel hält, während Cedi Teuchert vorne einen Elfer nach dem nächsten versenkt. Die Experten warnen deshalb ausdrücklich vor einem Bruch dieser Welle noch in der Hinrunde, siehe letzte Saison. Dann nämlich, wenn eine oder mehrere unserer Schachfiguren schwächeln, der Torwart patzt, jemand verletzt ausfällt, Teuchert nicht trifft, und der negative Lauf seinen Gang nimmt. Siehe das Derby 2022 zuhause und die Spiele danach. Oder der Beginn der Rückserie nach der Winterpause.
Wenn Hannover also laut einer künstlichen Intelligenz zur Zeit überperformt, war das leistungsgerechte Unentschieden in Düsseldorf jetzt ein klarer Dämpfer. Eine realistische Einordnung der Dinge. Stefan Leitl wird sich die Zahlen genau anschauen und feststellen, daß effektiv zu wenig erarbeitet wurde. 2 Teuchert-Chancen und sonst kein großer Offensiv-Alarm waren in 90 Minuten dann einfach zu wenig, um Spitzenreiter Düsseldorf zu bezwingen. Dazu hätte es eine ebenso starke 2. Halbzeit gebraucht wie die erste, mehr agieren, mehr Torgefahr kreieren.
Ohne Tresoldi und Voglsammer, ohne Flanken, und auf den Außen geblockt, waren die Roten um ihre offensiven Waffen gebracht. Da war der geile Steckpass von Halstenberg auf Teuchert noch das höchste der Gefühle. Das rote Pressing erzwang in HZ 1 noch einige ansehnliche Balleroberungen, die für Chancen sorgten. Louis Schaub und Jannik Dehm wurden einige Male hart angegangen, und auf der anderen Seite gab es für Derrick Köhn meist kein Durchkommen. So konnte man froh sein, daß die stabile Defensive das 0:1 wenigstens bis zum umstrittenen Strafstoß sicherte.
Unter den 10 effizientesten Passgebern fand sich mit Louis Schaub nur ein einziger Hannoveraner. Das ist zu wenig, um einen kompakten Spitzenreiter über 90 Minuten vor Probleme zu stellen. Überhaupt spielte die Fortuna 577 Pässe mit einer Genauigkeit von 87%, Hannover hingegen nur 385 Pässe bei 76%. Klar, die Hausherren liefen viel und ließen den Ball fiel laufen, immer auf der Suche nach einer Lücke im niedersächsischen Bollwerk. Denn Hannover spielte in Düsseldorf defensiv furztrocken, das muß man so sagen. Humorlos, minimalistisch, effektiv im Ball-Klau, und immer wieder auch mit wilden Fehlpässen im Umschaltspiel. Enzo Leopold führte im Mittelfeldzentrum die meisten Zweikämpfe des Spiels, Versuche nach Vorne verpufften in der 2. HZ aber zusehends aufgrund fehlender Anspielstationen.
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Strukturiert nach Vorne gab es im zweiten Durchgang wenig zu bestellen, es sei denn mit einem Konter. Spielerisch blieb 96 an diesem Nachmittag im letzten Drittel leider vieles schuldig. Alternativen? Waren Sonntag leider nicht unbedingt auf der Bank. Von Damer, Oudenne und Scott wußte man noch nicht, ob sie als Neulinge in solch eine Partie reinfinden. Sebastian Ernst noch außer Form. Somit war Antonio Foti noch der einzige Kreativspieler mit Aussicht auf Torgefahr. Umso länger das Spiel ging, desto schmeichelhafter erschien das Unentschieden für 96. Denn das Pressing über 60 Minuten forderte seinen Tribut und mehrere Spieler waren sichtlich k.o.
Am Ende geht die Punkteteilung in Ordnung, aber Stefan Leitl muss auch schauen, dass das Spiel aus dem Mittelfeld heraus genauer und gefährlicher wird. Ewig wird uns Cedric Teuchert nicht retten können. Nach Wiesbaden am Samstag kommen einige dicke Brocken, die es zu bespielen gilt. Hoffen wir, dass Scott, Voglsammer und Tresoldi schnell wieder fit werden…
Die Lieblingsfolgen vom 96Freunde-Podcast mit Altin Lala, Florian Fromlowitz und Ewald Lienen. Viel Spaß beim Reinhören!
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