Beim „Wunder von Hamburg“ gewann Hannover 96 als krasser Außenseiter die Deutsche Meisterschaft. Die von „Fiffi“ Kronsbein trainierten Roten besiegten den 1. FC Kaiserslautern mit den WM-Helden Fritz Walter und Horst Eckel sensationell mit 5:1. Von Oliver Krebs
In Gedenken an Hans Krämer. Das Portrait des Meistertorwarts erschien erstmalig im Juli 2019 im Wedemark Echo. Hans Krämer verstarb einen Tag vor Heiligabend im Alter von 90 Jahren.
„Hänschen, dranbleiben, dranbleiben!“ Hans Krämer hat die Worte Helmut „Fiffi“ Kronsbeins, Trainer der Meistermannschaft von Hannover 96, heute noch im Ohr. „Und dabei saß er auf dem Fahrrad, während wir durch den Wald laufen mussten“, sagt der frühere 96-Torwart, der am 7. Juli 90 Jahre alt geworden ist, und muss rückblickend doch noch schmunzeln. Nein, laufen mochte er nicht so gern, und deshalb wollte er auch von Anfang an ins Fußballtor gehen. Und der Maschinenbauingenieur, der viele Jahre bei Conti an der Vahrenwalder Straße gearbeitet hatte, kämpfte sich nicht nur im Berufsleben, sondern auch auf dem Spielfeld durch.
Er schaffte den Sprung vom dritten bis zum ersten Torhüter bei den „Roten“, deren Vereinsfarben ja eigentlich schwarz-weiß-grün sind. Ursprünglich stammt Krämer aus Landau in der Pfalz, bevor es ihn beruflich in den Raum Hannover verschlagen hatte. Als Praktikant in Celle schnürte der Keeper auch eine kurze Zeit seine Fußballstiefel für den SV Schwarmstedt.
Mit dem Auto von Bissendorf nach Hamburg – zum Training mit Uwe Seeler
Hannover 96 war auch nicht die letzte Station in der Karriere Hans Krämers. Nach einem Jahr bei Phönix Lübeck durfte der Bissendorfer von 1960 bis 1965 noch fünf Jahre lang für den Hamburger SV kicken, damals die Nummer eins im Norden. Jupp Posipal, Mitspieler in der Norddeutschen Fußballauswahl, hatte den Wechsel eingefädelt, Krämer sollte die Reservistenrolle hinter dem legendären Horst Schnoor einnehmen. Mit seinem damaligen Kollegen im Gehäuse verbindet Hans Krämer heute noch eine Freundschaft. Erst vor Kurzem habe der heute 85-Jährige angerufen und nachgefragt, wie es „Hänschen“ gehe.
„Es war überhaupt eine tolle Zeit in Hamburg mit vielen netten Mitspielern“, schwärmt Ehefrau Ingrid. Uwe Seeler – von allen liebevoll „uns Uwe“ genannt – war der große Star der Mannschaft, habe aber keinerlei Allüren gehabt, sei total nett und hilfsbereit gewesen. Es war eine stressige Zeit für Hans Krämer, der ja nach wie vor in Bissendorf gewohnt hat und mit dem Auto immer in die Hansestadt zum Training und zu den Spielen gefahren ist. „70.000 Kilometer bin ich damals im Jahr gefahren“, erzählt der 90-Jährige, der die Spiele der „Roten“ und der „Rothosen“ aus Hamburg immer noch regelmäßig verfolgt und tieftraurig nach dem Abstieg seiner beiden Vereine war.
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„Das Wunder von Hamburg“: Als Hannover 96 überraschend Deutscher Meister wurde
Das Fußballgen hat sich auf seine Familie übertragen: Tochter Kerstin ist genauso glühende 96-Anhängerin und immer im Stadion zu finden wie Enkeltochter Sabrina. Und auch Ehefrau Ingrid verfolgt die Spiele im Fernsehen. „Früher sind wir immer im VW Käfer zu den Begegnungen gefahren“, erinnert sich die 83-Jährige.
Ein Spiel hat sie besonders in Erinnerung behalten: Das Finale um die Deutsche Meisterschaft im Jahre 1954, übrigens auch in Hamburg. Hannover 96 war damals krasser Außenseiter im Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern. Die Mannschaft, die mit Nationalspielern gespickt war. Kicker, die wenige Wochen später die Fußball-Weltmeisterschaft in der Schweiz gegen Ungarn gewannen. Ein späterer Weltmeister, Horst Eckel, war es auch der Hans Krämer den einzigen Gegentreffer in der 13. Minute einschenkte. Hannover 96 traf danach allerdings noch fünfmal und wurde zum zweiten Mal nach 1938 und bislang auch letzten Mal Deutscher Fußballmeister.
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200.000 begeisterte Fans feierten den Meister nach dem „Wunder von Hamburg“ in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Hans Krämer weiß noch: „Als Prämie gab es 1.000 Mark für jeden, und die Steuern wurden noch abgezogen.“ Blieben 800 Mark netto – in der damaligen Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg trotzdem noch eine stolze Summe.
267 Mark netto als Profifußballer
Aber niemand konnte vom Fußball allein leben und musste einer geregelten Tätigkeit nachgehen. Als Fußballer verdiente Hans Krämer – nach Heinz Elzner der Zweitälteste der Meistermannschaft von 1954 – bei Hannover 96 in der Oberliga 267 Mark netto. Erst beim Hamburger SV, für den er auch fünf Bundesligaspiele bestritt, gab es einen richtigen Vertrag. Nach seiner Zeit auf dem grünen Rasen konzentrierte sich Hans Krämer auf seinen Beruf und verließ Hannover für einige Zeit, arbeitete als Werksleiter für Conti in Dannenberg an der Elbe und in Merzig im Saarland.
1997 kehrten die Krämers wieder in ihr Haus in Bissendorf zurück, das sie zwischenzeitlich vermietet hatten. 62 Jahre sind Ingrid und Hans Krämer mittlerweile verheiratet — eine lange Zeit, in der der Fußball immer eine große Rolle gespielt habe. Kein Wunder, denn mit einem Ball fing auch alles an. „Mein Mann hat mir einen Ball auf den Kopf geworfen, als ich mal wieder beim Training zugeschaut habe“, sagt Ingrid mit einem Lächeln im Gesicht. Offensichtlich hatte er damals schon ein Auge auf sie geworfen. Vielleicht eine etwas eigenwillige, aber anscheinend doch erfolgreiche Art, auf sich aufmerksam zu machen. Bleibende Schäden habe sie jedenfalls nicht davongetragen, sagt Ingrid Krämer lachend, und der Liebe habe das auch keinen Abbruch getan.
In Gedenken an Hans Krämer. Dieses Portrait des Meistertorwarts erschien erstmalig im Juli 2019 im Wedemark Echo. Hans Krämer verstarb einen Tag vor Heiligabend im Alter von 90 Jahren.
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