Es geht bergab. Hannover 96 ist mittlerweile seit acht Spielen ohne Sieg. Zuletzt stimmte zwar die Leistung, das 3:4 in Bochum war jedoch der nächste Nackenschlag gegen ohnehin schwache Niedersachsen. Eine solche erschreckende Bilanz gab es schon seit Jahrzehnten nicht mehr, auch der wichtige Platzierungsbonus droht unterdurchschnittlich schlecht auszufallen. Auf jene Finanzspritze sei Hannover 96 angewiesen, so zumindest der Präsident. In der aktuellen Konstellation scheint nun auch dieses Minimalziel in Gefahr – ist der Trainer noch tragbar?
Im Nachklang des Heidenheim-Spiels (1:3) sprach Martin Kind von „Spielen“, welche Kenan Kocak noch an der Seitenlinie der Roten stehen wird. Das erste Endspiel gegen Bochum ging in die Hose, auch wenn die Leistung vielversprechend war. Am Ende zählen Ergebnisse – und diese liefern die Roten seit Wochen nicht mehr. Am morgigen Mittwoch trifft man in der HDI-Arena auf Regensburg, das letzte Spiel von Kocak?
Es wird definitiv ein Sieg erwartet, so viel steht fest. Gut möglich, das ein unerwünschter Ausgang der finale Beinbruch für den Coach ist. Doch was spricht für, und was gegen eine Entlassung? Zuerst das Positive: Hannover 96 will einen kompletten Umbruch starten, ein Trainer mit einem Vertrag bis zum Sommer 2023 ist da keine schlechte Ausgangsposition. Kenan Kocak könnte den Umbruch von der ersten Sekunde an leiten, betreuen und beobachten. Auch für die Spielerentwicklung wäre diese Form der Konstanz wichtig. Ein munterer Austausch des Trainingsleiters erschwert den Feinschliff, dies dürfte einleuchten. Die derzeitige Truppe wirkt außerdem geschlossen, Kenan Kocak scheint die Mannschaft daher nach wie vor zu erreichen. Auch wenn die gezeigten Leistungen nicht darauf schließen, in sämtlichen medialen Auftritten wird über Kenan Kocak nie ein schlechtes Wort verloren. Der angebliche Clinch zwischen Zuber und Kocak sei dahingestellt – nach eigenen Angaben hätte man ohnehin ein professionell gutes Verhältnis.
Außerdem darf die Chefetage nicht vernachlässigen, dass Hannover 96 in seiner derzeitigen Verfassung wahrlich kein Top-Team ist. Bei einer Trainerentlassung wäre die Interessentenliste höchstwahrscheinlich kürzer als erhofft. Gerhard Zuber und Martin Kind müssten wahre Überzeugungsarbeit leisten, um mögliche Wunschkandidaten an die Leine zu lotsen. Diese Baustelle ließe sich vermeiden, wenn man auch über das Regensburg-Spiel beziehungsweise über die Saison hinaus mit Kocak zusammenarbeitet.
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Sind wir aber ehrlich: Die Liste, welche gegen die derzeitige Besetzung an der Seitenlinie spricht, ist deutlich länger. Die jüngsten Ergebnisse inklusive der drei Niederlagen aus den letzten vier Spielen sind dabei nur das i-Tüpfelchen. Das ausgegebene Saisonziel wurde krass verfehlt, die aktuell 36 Punkte und der elfte Tabellenplatz sprechen Bände. Zugegeben hat das begrenzte Budget die Arbeit von Kenan Kocak erschwert, der aktuelle Kader ist jedoch absolut qualifiziert für den Schritt ins Oberhaus. Im Kader von Hannover 96 stehen Spieler wie Kapitän Kaiser, welcher mit RB Lepizig in der ersten Liga bereits für Furore sorgen konnte, Simon Falette, welcher mit Frankfurt vor drei Jahren den DFB-Pokal gegen Bayern München holte und in der Europa League im Halbfinale gegen den FC Chelsea spielte, Patrick Twumasi, welcher in seiner Karriere bereits fünf Meistertitel sammeln konnte und lange Zeit in der ersten spanischen Liga kickte oder Marvin Ducksch, welcher zweifacher Zweitliga-Torschützenkönig ist. Darüber hinaus kommen die „altbekannten“ Leistungsträger wie Genki Haraguchi oder Linton Maina.
Auf dem Papier hätte Hannover 96 daher definitiv um den Aufstieg mitspielen müssen, hinter Hamburg und Düsseldorf haben die Niedersachsen schließlich den (nominell) drittbesten Kader der Liga. Inzwischen ist man dem Abstieg näher als dem Aufstieg, für Träumerei ist kein Platz mehr. Seitdem feststeht, dass 96 nichts mit dem Aufstieg am Hut haben wird, hat Martin Kind die Planung für die kommende Spielzeit ausgerufen. Doch in der taktischen Ausrichtung von Kenan Kocak ist keinerlei Spur von künftigen Plänen. Die vielen Jugendspieler, die den Sprung in den Profikader geschafft haben, müssen auf der Bank versauern und erhalten höchsten zwanzig Minuten Spielzeit. Von Beginn an durfte sich noch niemand beweisen. Anstatt dessen dürfen sich Spiele wie Jaka Bijol und Haraguchi, welche in der kommenden Spielzeit zu 99 Prozent nicht mehr im Kader der Roten stehen werden, weiterhin beweisen. Zwar sind beide Akteure absolute Leistungsträger, doch die Luft ist einfach raus. Ob man am Ende den zehnten oder den zwölften Tabellenplatz belegt, ist irrelevant. Die vielseitig genannten Talente Bokake, Stehle, McKinze Gaines, Gudra, Doumbouya und Tarnat hätten eine ausgiebigere Chance verdient. Und genau diese Chance wird auch von oben gefordert. Auch Cepele und Lamti sind überfällig. Sie wurden vor der Saison als absolut vielversprechende Talente verpflichtet, Cepele verließ für Hannover 96 sogar Inter Mailand und ist inzwischen der jüngste A-Nationalspieler Albaniens. Angesichts der Verletzung von Timo Hübers hätte man auch ihm die Chance geben müssen… Natürlich fällt den Fans das Äußern von lautstarker Kritik nicht schwer, doch in diesem Fall ist die Kritik tatsächlich angebracht.
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Abschließend lässt sich noch eine Parallele zwischen Kenan Kocak und vielen Politikern ziehen. Beide Parteien können guten Gewissens als Schönredner betitelt werden. Ich möchte unserem Trainer keinesfalls Surrealität vorwerfen, doch die brenzlige Situation scheint er des Öfteren Weglächeln beziehungsweise „zerreden“ zu wollen. So haute er nach der Bochum-Niederlage nicht auf den Tisch und hinterfragte, wie man in der 92. Minute ein Unentschieden aus der Hand geben kann, sondern gab sich und dem Team Zeit. Man müsse dies jetzt erst einmal verdauen, so der Coach. Der Verdauungsprozess dauert gefühlt schon die gesamte Rückrunde, ein erfolgreicher Abschluss ist nicht in Sicht. Ähnliches ist auf den wöchentlichen Pressekonferenzen zu beobachten, immer wieder wird provokanten Fragen ausgewichen. Hannover 96 braucht einen extrovertierte Spielleiter, man denke an Baumgart (welche im Übrigen ab kommender Saison auf dem Markt ist) oder Christian Streich.
Der Zeitpunkt für einen radikalen Schnitt wären gut. Ein neuer Mann könnte sich noch in dieser Spielzeit einarbeiten, die Fallhöhe wäre nicht allzu hoch. Der größte Fehler wäre, so hat es Hannover 96 bereits einige Male getan, einen neuen Trainer mitten in der spielfreien Zeit zu verpflichten. So würde man nicht nur die Mannschaft verunsichern, sondern auch den neuen Akteur ins kalte Wasser werfen. Wir können und müssen gespannt auf das morgige Duell blicken, die Entscheidung muss jedoch definitiv zeitnah fallen.
Die Lieblingsfolgen vom 96Freunde-Podcast mit Altin Lala, Florian Fromlowitz und Ewald Lienen. Viel Spaß beim Reinhören!
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