Köln-Fan Thomas: „Mir geht der Kampf der 96-Fans um ihren Verein nahe“

Faninterview vor dem Heimspiel gegen den 1. FC Köln

In der Domstadt gibt es derzeit nicht viel zu feiern. Foto: Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images.

Hannover – Sonntag gegen Köln findet die erste Englische Woche der Saison ihr Ende. 96 kann mit einem Sieg in der Spitzengruppe belieben. Köln hat ganz andere Sorgen. Auch darum geht es im Faninterview mit Thomas von effzeh.com, dem Kölner Pendant zu 96Freunde.de.

In der Domstadt gibt es derzeit nicht viel zu feiern. Foto: Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images.

96-Legende Bittencourt außer Form

Lieber Thomas, ich freue mich sehr, dich als Gast im Faninterview begrüßen zu dürfen. Stell Dich doch bitte unseren Lesern kurz vor.

Wolfgang Niedecken würde jetzt sagen: Wat schriev mer en su nem Fall? 1986 im kölschesten aller Krankenhäuser im Vringsveedel geboren bin ich effzeh-Fan, seit ich denken kann. Da bleibt einem in dieser Stadt auch kaum etwas anderes übrig. Im Hauptberuf Sportjournalist betreibe ich zusammen mit weiteren Jecken und Jeckinnen das Online-Fanzine effzeh.com. Ich bin e ne kölsche Jung, wat wellste maache?

Nach einem tollen fünften Platz in der Vorsaison, will es in dieser Spielzeit nicht laufen bei Euch. Was sind die Gründe dafür?

Direkt mit der schwierigsten Frage einsteigen, das gefällt mir (lacht). Die Gründe sind vielfältig, lassen sich jedoch auf einen kleinen Nenner herunterbrechen: Die Mannschaft spielt weit unter ihren Möglichkeiten. Die defensive Stabilität ist weg, Leistungsträger wie der Ex-Hannoveraner Leonardo Bittencourt sind völlig außer Form und vorne im Sturm weht nur ein laues Lüftchen. Und da das nicht ausreicht, sitzt irgendwo vor irgendeinem Bildschirm noch jemand, der absolut gar keinen Bock auf uns zu haben scheint.

Kann man einen Anthony Modeste nicht ersetzen? Oder war das Sommertheater vielleicht schädlich für den Teamspirit?

Eins zu eins ist ein Stürmer der Qualität eines Anthony Modeste einfach nicht zu ersetzen, das sollte jedem klar sein. Ebenso klar ist es allerdings auch, dass man vermutlich die Lücke hätte besser füllen können als mit Jhon Cordoba. Das Wechseltheater hat zwar die Zeitungen in Köln und Deutschland gefüllt, das Team dürfte es jedoch nicht allzu sehr beeinflusst haben. Der sportliche Verlust wiegt auch so schwer genug!

Kölner Toragrant Anthony Modeste wechselte im Sommer nach China. Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images.

Wie beurteilst Du die Kölner Transfers in diesem Sommer?

Ich gehöre zu der großen Fraktion unter den effzeh-Fans, die gerade in diesem Sommer mit den Transfers alles andere als zufrieden sind. Derart viel Geld für Cordoba, Horn und Meré herauszublasen, andere drängendere Baustellen aber brach liegen zu lassen, erschließt sich mir auch auf den 1948. Blick nicht. Anstatt die Mannschaft sturmfest zu machen haben die Verantwortlichen aus meiner Sicht zu sehr auf den Faktor Perspektive gesetzt und ansonsten gehofft, dass alles so märchenhaft weitergehen würde wie bisher. Das ist nahezu sträflich naiv.

Stöger wackelt (noch) nicht

Ihr bekommt derzeit sehr viele Gegentore. Woran liegt das?

Der Gegner schießt den Ball zu oft in unser Tor (lacht). Nein, ganz im Ernst: Es ist eine Mischung aus kollektiven und individuellen Fehlern. Wir haben in den vergangenen Jahren immer von unserer exorbitant guten Ordnung gelebt, die aktuell völlig aus den Fugen geraten zu sein scheint. Es greifen nicht mehr alle Rädchen ineinander, so dass Lücken entstehen, die zu Chancen führen. Wollen wir nicht komplett unten versumpfen, müssen wir uns auf die alten Tugenden besinnen. Das Frankfurt-Spiel, so unansehnlich es auch war, ist ein erster Schritt auf diesem Weg gewesen.

Muss Trainer Peter Stöger um seinen Job bangen? Wird er am Sonntag überhaupt noch auf der Bank sitzen?

Das steht völlig außer Frage. Auch wenn es im Sport kaum Dankbarkeit gibt, wäre es kaum zu vermitteln, dass beim ersten ernsthaften Sturm, der einem entgegenbläst, schon der Panikmodus eingeschaltet wird. So schätze ich Jörg Schmadtke allerdings auch nicht ein. Ich denke, Peter Stöger wird selbst entscheiden, wenn er der Meinung ist, dieser Situation nicht mehr Herr zu sein. 

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„Schmadtke wird Stöger nicht beim ersten Sturm feuern.“ Foto: Sebastian Widmann/Bongarts/Getty Images.

Was erwartest Du von der Europa League? Ist Platz zwei hinter Arsenal drin?

Es klingt paradox angesichts der Situation in der Liga, aber ich halte ein Weiterkommen in der Europa League für nicht ausgeschlossen. Es wird auf die Duell gegen Baryssau und Belgrad ankommen, insbesondere zuhause muss gepunktet werden. Allerdings steht für mich die sportliche Komponente eher im Hintergrund, wenn ich ehrlich sein soll. Für mich ist der Europapokal einfach die Erfüllung eines ewigen Traums, dessen Erfüllung ich nicht mehr erwartet hatte. Daher genieße ich die sechs Spiele in vollen Zügen – und dann wird man sehen, ob es sogar noch ein paar Reisen mehr werden können.

Nächstes Jahr nach Aue wäre der Europapokal des kleinen Mannes

Wird die Doppelbelastung zum Problem für Euch?

Das kann ich derzeit nicht seriös beantworten. Schaue ich mir allerdings unseren recht kleinen Kader an und sehe, wie wenig Alternativen wir insbesondere seit dem Ausfall von Jonas Hector in der Mittelfeldzentrale haben, kann einem schon angst und bange werden.

Wo erwartest Du Köln am Ende der Saison?

Nach diesem Start nehme ich alles, was über dem Strich ist. Wir müssen schauen, dieses Jahr irgendwie zu überleben – egal wie! Allzu optimistisch bin ich aber nicht, dafür war das bislang Gesehene einfach zu schwach. Macht aber nichts, geht es halt nächste Saison wieder nach Aue. Der Europapokal des kleinen Mannes.

Mit Jörg Schmadtke, Konstantin Rausch, Leonardo Bittencourt und Artjoms Rudnevs sind in Köln viele ehemalige 96er zu finden. Wie geht es Ihnen?

Im Grunde genommen kann es einem in Köln nur gut gehen. Leo hat sich zum Leistungsträger entwickelt, der für uns enorm wichtig ist. Kocka Rausch hat zwar bei den Fans einen schweren Stand, allerdings scheint Stöger in ihm etwas zu sehen, das vielen entgeht. Rudnevs ist auf schier unerklärlichem Weg zum Publikumsliebling geworden – irgendwie scheinen die Fans seiner unorthodoxe Spielweise etwas abgewinnen zu können. Und Jörg Schmadtke? Naja, der hatte vier hervorragende Jahre hier, war mitunter der „König von Köln“ und muss sich jetzt erstmals der Kritik stellen. Ich bin gespannt, wie das wird.  

In Hannover ist die Fanszene in Bezug auf Martin Kind und den Erhalt von 50+1 tief gespalten. Bekommt man davon auch bei Euch was mit? Wie beurteilst Du die Situation?

Natürlich bekommen wir das mit – auch angesichts der Mitgliederinitiative „100% FC“, die bei uns Anteilsverkäufe nur durch die Mitgliederversammlung erlauben will, beschäftigen sich viele mit diesem Thema. Es ist aus meiner Sicht erschreckend zu sehen, wie ein durchaus verdienter, aber doch recht eigenwilliger Vereinspotentat sich dem Dialog mit den eigenen Fans entzieht und sogar (nicht bindende) Beschlüsse der Mitgliederversammlung ignoriert. Den Klub derart zu spalten, um dadurch eigene Vorteile zu ziehen, entzieht sich komplett meinem Verständnis. Der Blick nach Hannover ist für mich aktuell daher eher ein trauriger, weil mir der Kampf der Fans um ihren geliebten Verein bei aller Rivalität unter den Bundesliga-Klubs doch nahe geht.

Ist die schlechte Stimmung der Heimfans untereinander ein Vorteil für euch als Gäste?

Fehlende Unterstützung des Heimteams ist für den Gast immer ein Vorteil. Wobei sich das bei Euch derzeit wohl nicht so durchschlagen wird, da ihr sportlich doch sehr ansprechend gestartet seid. In guten Zeiten fällt es häufig nicht so auf, dass der „harte Kern“ wegbricht. Spannend wird das Thema zumeist erst dann, wenn die Tendenz in die falsche Richtung geht. 

„96 sollte mit dem Abstieg nichts zu tun haben“

96 ist erstaunlich gut gestartet. Was könnt ihr dem Spiel von Trainer André Breitenreiter entgegensetzen?

Das ist eine spannende Frage. Die kampfbetonte, pressing-lastige Spielweise von 96 dürfte uns in unserer derzeitigen Lage gar nicht gut schmecken. Vor allem das frühe Stören unseres Spielaufbaus könnte für viele Fehler und zunehmende Verunsicherung sorgen. Wenn wir es schaffen, die erste Linie zu überspielen und dann die sich bietenden Räume zu nutzen, dann bin ich guter Dinge, dass wir zumindest gefährlich werden können. Ob uns das allerdings gelingen wird, das sehe ich noch nicht.

Was meinst Du ist für Hannover in dieser Saison drin?

Der Auftakt war auf jeden Fall nicht nur von den Ergebnissen her vielversprechend. Wenn die Euphorie noch etwas hält und Breitenreiter flexibler agieren lässt als beispielsweise in Paderborn, als es nach gutem Start steil bergab ging, dann könnt ihr Euch auf eine sportlich entspannte Saison freuen. Mit dem Abstieg hat Hannover 96, das mich derzeit besonders als Kollektiv überzeugt, dann nämlich rein gar nichts zu tun.

Wenn Du Dir einen Spieler aus den Reihen des Gegners aussuchen könntest, wen würdest Du wählen und warum?

Auch wenn Martin Harnik uns sicherlich mit seiner Torgefahr derzeit gut zu Gesicht stünde, liegt mein Augenmerk auf zwei anderen Spielertypen. Der eine ist Salif Sané, den Jörg Schmadtke bereits nach Köln locken wollte. Mit seiner Zweikampfstärke, seiner robusten Spielweise und seiner Kopfballstärke wäre er eine ideale Ergänzung für uns. Dazu sticht für mich Waldemar Anton heraus: Sehr präsent, sehr einsatzfreudig – der Junge macht Spaß!

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„Der Junge macht Spaß“, sagt FC-Fan Thomas über Waldemar Anton. Foto: Selim Sudheimer/Bongarts/Getty Images.

Was erwartest Du am Sonntag für ein Spiel?

Ich befürchte, es wird eine sehr unansehnliche Partie mit vielen hektischen Phasen. Hannover versteht es gut, das Spiel des Gegners zu unterbinden und ihn in Fehler zu treiben. Wir werden sicherlich versuchen, erst einmal tief zu stehen und dann nach dem alten Prinzip „Vorne hilft der liebe Gott“ zu agieren. Macht ihr ein frühes Tor, könnte der Drops allerdings schnell gelutscht sein.

Wie geht die Partie aus? Dein Tipp, bitte.

Ich gehe von einem Heimsieg für Euch aus – und tippe 3:1 für 96.

Die Lieblingsfolgen vom 96Freunde-Podcast mit Altin Lala, Florian Fromlowitz und Ewald Lienen. Viel Spaß beim Reinhören!

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1 Kommentar

  1. Die Mehrheitsfans sind gegen die Ultras, im Spiel 96 gegen HSV wurde deutlich die Antwort der Fans: "Ultras raus". Dennoch werden ständig Stimmung für die Ultras gegen 96 durch die Presse gemacht. Sogar Stimmen aus 96-er Konkurenzen werden eingeholt und publiziert. Das geht gar nicht! Diese Aktionen schaden nur Hannover 96 und die Mannschaft.

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