Mit scheinbar letzter Kraft hat sich unser Sportverein in eine erneute Länderspielpause gerettet. Es sind 26 von 34 Spieltagen gespielt, die letzten Spieltage gerade frisch terminiert und wir trudeln schwerelos im oberen Tabellendrittel vor uns hin. Mit nur einer Niederlage in der bisherigen Rückrunde zählt Hannover 96 zu den fünf Lucky ones in einer erneut vogelwilden 2. Liga.
Der Relegationsplatz ist noch in greifbarer Nähe. Das klingt soweit erstmal nicht schlecht! Und dennoch fühlen sich die drei letzten Unentschieden eher wie Stagnation an, anstatt der Aufruf zum Angriff. Woran liegt es, fragen wir, und was könnten wir in den letzten acht Spielen noch wuppen?
Die Liga steht gerade in voller Performance-Blüte, es ist Frühling in den Darbietungen der Kicker. Das macht sich auch in den vielen Aufs und Abs der Leistungen bemerkbar. Hier belegt Hannover 96 immerhin noch den dritten Platz der reinen Rückrunde-Tabelle, wird aber stark von Teams wie Düsseldorf (mit Unterschiedsstürmer Christos Tzolis), dem Hamburger SV (mit dem neuen Einpeitscher Steffen Baumgart), den hoch effektiven Karlsruhern und aufstrebenden Berlinern bedrängt. Auch Paderborn und und Fürth könnten mit einer kleinen Serie noch oben angreifen.
Legen wir bei den Performance-Werten einfach mal einen Maßstab von fünf Stufen an (1 für schwache Werte bis 5 für stärkste Werte), so turnen unsere roten Akteure aktuell zwischen zwei und drei herum. Sie sind „bemüht“, wie man in der Schule sagen würde. Enzo Leopold, Marcel Halstenberg, Phil Neumann und der ein oder andere Akteur schaffen es regelmäßig auf Stufe vier. Die Liga-Besten performen zu diesem Zeitpunkt der Saison aber schon auf Stufe fünf und machen regelmäßig den Unterschied.
Vorweg: kein Team der 2. Bundesliga hat in den letzten Jahren die Konkurrenz total dominiert und punktemäßig abgehängt.
Hannover 96 spielt eine sehr gute Saison und es ist müßig, über verlorene oder verschenkte Punkte zu diskutieren. Ein zweiter oder gar erster Platz in der Tabelle wären dieses Jahr aber total gelogen, denn bei einem genauen Blick haben wir noch zu viele offene Baustellen . Hannover 96 ist eben noch keine richtige Spitzenmannschaft, wie auch Chefcoach Stefan Leitl richtig erkannt hat.
Deshalb haben wir Euch hier mal einige Punkte zusammen getragen, die Mut stiften sollen, aber auch zur kritischen Diskussion anregen:
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Die Außen:
Es sind wohl DIE beiden Gründe dafür, dass Hannover 96 nach einer geilen Serie aus vier Siegen hintereinander plötzlich auf die Nase flog: der zeitlich absolut tödliche Verkauf von Derrick Köhn nach dem Ende des deutschen Transferfensters und die schwere Verletzung von Sei Muroya. Damit fielen unsere beiden formstarken Außenverteidiger innerhalb von nur vier Tagen aus. Dehm auf links und Voglsammer auf rechts war mal eine lustige Überraschung (vor allem für die Gegner), aber längerfristig klappte keine andere Variante, wieder Leben auf die Außenbahnen zu bringen.
Fabian Kunze:
Unsere Nummer 6 wirkte in den letzten Spielen wie von der Rolle, auch wenn er immer noch ordentlich performte. Die Gegner wissen natürlich um seine Qualitäten und nehmen ihn gerne Maß. Seitdem auf unseren Außenbahnen weniger Verkehr herrscht, konzentriert sich das gegnerische Pressing natürlich auf unsere Hauptschlagader in der Mitte. Drei gelbe Karten in Folge signalisieren die Verzweiflung und einen Rückschritt von Kunze in alte Zeiten. Schafft er es, sich zu schütteln und das Spiel wieder über das Grätschen zu setzen, wird es in unserem Zentrum wieder deutlich hochwertiger.
Das Derby:
Chance und Schicksal zugleich. Rasieren wir den Affen-Verein, wird es uns einen dicken fetten Push geben. Dazu müssen alle Roten in unserer Kurve brennen!
Harvard Nielsen:
Ist als Führungsspieler und Malocher von Stefan Leitl gesetzt. Pässe, Tore und Vorlagen stagnieren momentan zwar merklich, aber indem er Gegner aus der Abwehr auf sich zieht, öffnet er wichtige Räume für Nicolo Tresoldi. Chancen hat er immer wieder und wird sie auch wieder versenken. Auch Nielsen als kopfballstarker Stürmer fehlt einfach der Input von den Flügeln…
Standard-Stärke:
Mit 67% Erfolgswahrscheinlichkeit bei Eckbällen stehen wir auf Platz eins der Rückrunde! Mit Voglsammer, Neumann, Arrey-Mbi Halstenberg haben wir zudem echte Kopfballmonster in der Box. Das muss ausgenutzt werden!
Cedric Teuchert:
Lieber weltbester Marcus Mann, leg unserem Torjäger endlich einen korrekten Vertrag vor, denn nur ein glücklicher Teuchert ist ein guter Tor-chert! Dieses ganze Bank-Gammeln in den letzten Spielen ist sicherlich auch nicht hilfreich für seine Spiellaune. Schafft Klarheit für seine Familie und Zukunft und lasst ihn endlich wieder von der Leine! Selbiges gilt übrigens für Nielsen und Zieler, denn frische Verträge wären ein klares Zeichen für die Spieler und das ganze Team!
Heimspiele sind Machtspiele:
Zuhause sind wir eine Maschine, die eine unglaubliche Wucht entfesseln kann. Von 13 Spielen gab es sieben Siege, fünf Unentschieden, und nur eine (knappe) Niederlage. 29:13 Tore stehen zu Buche. Damit belegen wir Platz zwei der Heimspieltabelle. Im Schnitt feuern 35915 Zuschauer unsere Roten an, womit wir sogar in der ersten Liga gut dastehen würden.
Und das Beste kommt zum Schluss: mit St. Pauli, Paderborn und Kiel kommen noch drei Teams aus dem oberen Drittel in unser Wohnzimmer, hoffentlich zum Punktelassen. Auch Schalke reist attraktiv mit gut 10.000 Fans an den Maschsee und fordert ein potenzielles Spitzenspiel. Und Topspiele liegen uns besser als Gemauer.
Christopher Scott:
Nach langer Verletzung im Rücken hatte man ihn fast schon abgeschrieben, doch er könnte ein Gamechanger in der Raute werden. Es scheint, als wenn Leitl und Mann richtig Bock auf eine feste Verpflichtung des verheißungsvollen Offensivspielers haben. Denn sein Blick für die Tiefe kann die engsten Abwehrreihen knacken. Eine Fähigkeit, die wir gerade sehr dringend gebrauchen könnten. Update: Seine Verletzung aus dem Testspiel gegen Bremen ist nicht so schlimm, wie zunächst vermutet. Es handelt sich „nur“ um eine Verstauchung, er dürfte schon bald in das Mannschaftstraining zurückkehren.
Wir können Tore:
Hannover 96 mag zwar ergebnistechnisch schwächeln, aber getroffen haben wir diese Saison regelmäßig und gerne. In der Rückrundentabelle stehen das viertbeste Torverhältnis (17:12) und die drittmeisten geschossenen Tore auf der Habenseite.
Andreas Voglsammer:
Unser rechtsläufiger Offensivmann sprüht gerade vor Motivation und zirkelte zuletzt mit voller Wucht drei wichtige Tore in drei wichtigen Spielen rein. Vogi is a factor. In dieser Form gehört er in die Startelf, wobei nicht auszudenken ist, was bei beidseitig starken Flanken passieren würde.
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Diese Länderspielpause:
Im Januar hatte die Mannschaft vier Wochen Zeit für einen kompletten Reboot inklusive Taktikumstellung. Auch Standards wurden zur Waffe gemacht. Bis zum Spiel Ostersonntag in Magdeburg bleiben diesmal nur knapp 14 Tage und deutlich kühleres deutsches Wetter. Aber die Chance besteht, dass unsere Roten nochmal durchatmen, sich fokussieren und in die Spur zurück finden.
Mit Sei Muroya, Brooklyn Ezeh und Christopher Scott kehren drei Spieler zurück, die uns wieder deutlich stärker machen können.
Phil, Halste und diese Abwehr:
Lediglich das Spitzenduo um den FC St. Pauli und Holstein Kiel (jeweils 24 Gegentore) hat weniger Treffer innerhalb des Strafraums kassiert als Hannover 96 (26). Ein Grund dafür ist unsere Luftverteidigung, bei der wir erst drei Mal durch Kopfbälle bezwungen wurden. Dafür schlugen die jeweiligen Gegner bereits sieben Mal aus der Distanz zu. Nur der FC Hansa Rostock führt in der 2. Bundesliga noch mehr persönliche Duelle als Hannover 96. Mit Marcel Halstenberg haben wir den viertbesten Zweikämpfer in unseren Reihen (66,4% Quote). Mit Phil Neumann (35,8) und Bright Arrey-Mbi (35,6) stehen zwei der schnellsten Feldspieler der Liga in unserer Abwehr. Die Kombination aus Zweikampfquote, Schnelligkeit und Kopfballstärke verleihen Vorteile gegen jeden Angreifer.
Verbesserungspotenzial:
In der Torschützenliste haben alle oberen Teams einen echten Goalgetter parken können. Ganz oben thront weiterhin Robert Glatze (16), während Hannover immer noch von den zehn Cedric Teuchert-Treffern zehrt. Düsseldorf, Berlin und Karlsruhe tun momentan einiges für ihr Torverhältnis und stehen auch in der Effizienz sehr gut da. Hannover 96 bringt es nur auf Platz elf der meisten Torschüsse, die eine Grundlage für letztendliche Tore liefert. Bei den Torvorlage wird es dann ganz eklatant sichtbar: hier ist mehr als sechs Wochen nach seinem Abschied immer noch Derrick Köhn als bester Vorlagengeber im roten Dress geführt.
Flanken werden ligaweit von keinem so oft geschlagen wie von Berlins Fabian Reese (120). Unser drittbester Flankenschläger, Sei Muroya, liegt hier mit nur 20 Versuchen 100 (!!) Stück hinter dem Führenden! Man erkennt ganz genau: jeder der genannten Torjäger hat auch einen oder zwei geniale Vorlagengeber. Hier wäre es an Cedric Teuchert mit seinem Torriecher und seiner Effizienz, noch ein paar Buden im Endspurt zu machen.
Ein journalistischer Kollege fragte nach dem Lautern-Spiel zurecht: „Wurde die spielstarke Raute nun decodiert?“ Die Antwort lautet „Ja“, aber nur aufgrund fehlender Alternativen. Stefan Leitl frischt das Rauten-Spiel aktuell in der Werkstatt nochmal auf und darf sich über „Neuzugänge“ aus dem Lazarett freuen. Das sollte für die Intensität sorgen, um nochmal ordentlich an zu greifen!
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