Neuer Mittelfeldspieler dringend gesucht! Hannover 96 fehlt es an Tempo, Robustheit, Selbstvertrauen

Unsere Stoßstürmer werden kaum mit Flanken gefüttert, dabei ist das Kopfballspiel die eigentliche Waffe

Nach einem kämpferischen Beginn gerät Hannover 96 beim Hamburger SV unter die Räder. Das Mittelfeld ist die größte Baustelle im hannoverschen Team. Derweil bröckelt das hannoversche Selbstverständnis: Slomka stellt beim Erstligaabsteiger mangelndes Selbstvertrauen fest.

Eine Momentaufnahme vor Ort aus Hamburg

Aus der HSV-Kabine dröhnt „Viva Colonia“. Die Hamburger Spieler haben ihre Interviews bereits hinter sich gebracht und feiern in ihrer Kabine den 3:0-Sieg mit dem Kölner Schlagerhit. Die Tür zur Kabine geht kurz auf, und für einen Moment schallt „Wir lieben das Leben, die Liebe und die Lust“ laut über den Gang. Marvin Bakalorz, der einige Meter entfernt von der HSV-Kabine steht, verzieht keine Miene. Dass ihm nicht nach Feiern zu Mute ist, ist natürlich klar – zu deutlich war das 0:3, zu passiv präsentierte sich der Kapitän selbst vor dem zweiten Gegentor.

Rund zehn Meter vor der Tür zur HSV-Kabine stellt sich Bakalorz den Fragen der Journalisten. Der 96-Kapitän, der sich sonst nicht davor scheut, Emotionen zu zeigen, hält sich merklich zurück. Er will seinen Frust nicht nach außen dringen lassen, bemüht sich um sachliche Formulierungen, ringt sich ein Lächeln ab. Nüchterne Analyse statt Wutrede. Als die Fragerunde sich dem Ende zuneigt, stellt ein Journalist die Frage, ob man von einem Fehlstart sprechen muss. Jetzt widerspricht Bakalorz vehement. „Wir sollten die Kirche im Dorf lassen.“

Dabei ist es gar nicht abwegig, von einem Fehlstart zu sprechen. Fünf Punkte aus fünf Spielen, Pokalaus in der ersten Runde, Platz 12 in der Tabelle – eine magere Zwischenbilanz für ein Team, das laut transfermarkt.de den zweithöchsten Gesamt-Marktwert der Liga hat.

Die ersten 30 Minuten waren durchaus ansehnlich – doch ein Spiel dauert 90 Minuten

Dabei machte es in der ersten halbe Stunde sogar Spaß, dem Spiel des hannoverschen Teams zuzuschauen. Griffig in den Zweikämpfen, mit einem erstaunlich selbstbewussten Genki Haraguchi, begegnete Hannover 96 dem Hamburger SV in den ersten 30 Minuten auf Augenhöhe. Einziges Manko: Aus der aggressiven Spielart ergab sich keine echte Torchance.

Als das erste Gegentor nach einer Hereingabe von der linken Seite fiel (hier konnten Linksaußen Jannes Horn und Innenverteidiger Waldemar Anton, der in der Dreierkette den Part des linken Verteidigers übernommen hatte, das Gegentor nicht verhindern), war es jedoch mit dem relativ ansehnlichen Spiel der Hannoveraner vorbei. Zwei Szenen kurz vor Halbzeitpfiff sprachen Bände: Franke ließ sich erst tunneln und spielte kurz darauf einen unkonzentrierten Pass direkt in die Füße des Hamburger Stürmers. Und Elez, der insgesamt gar keine schlechte Partie machte, leistete sich völlig unbedrängt einen Fehlpass im Aufbauspiel an der Mittelfeldlinie.

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Hängende Köpfe bei Hannover 96. Die Pfiffe einiger 96-Fans nach Spielende waren jedoch absolut unberechtigt.

Die zweite Halbzeit war dann für jeden mitgereisten hannoverschen Fan grausam anzusehen. Ein ums andere Mal ließ sich Hannover 96 im zentralen Mittelfeld überlaufen. Während ganz vorne Weydandt und später Teuchert das Aufbauspiel der Hamburger noch zu stören wussten, wurden Hannovers Mittelfeldspieler auf simple Weise aus dem Spiel genommen. Die Entstehung des 0:2 war fast eine Wiederholung aus dem Fürth-Spiel: Bakalorz verliert seinen Gegenspieler aus den Augen, setzt zwar eine Grätsche in den leeren Raum, hat aber keinen Körperkontakt zu seinem Gegenspieler.

Das Selbstverständnis, einer der vier Aufstiegsfavoriten zu sein, kommt ins Wanken

Nach dem Spiel herrschte ein Stück weit Ratlosigkeit bei Mirko Slomka. „Wir sind heute gegen eine sehr sehr starke Mannschaft ein bisschen unter die Räder gekommen. Wir hatten uns vorgenommen, den HSV nicht so ins Spiel kommen zu lassen.“ Das sei zwar in der Anfangsphase noch gelungen. „Wichtig ist, dass man nach vorne dem Gegner den Respekt abringt.“ Respekt habe der Gegner jedoch nicht bekommen.

„Dann fehlt uns am Ende Robustheit, Tempo. All das hat der HSV uns vorgemacht, wie das funktioniert.“ Hannover 96 habe zurzeit nicht das Selbstbewusstsein, nicht die „breiten Schultern“ wie der Gegner. Der Hamburger SV, sagte Slomka, sei „absoluter Favorit“.

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Da reibt man sich als 96-Fan verwundert die Augen und fragt sich erstaunt: „Befinde ich mich etwa in einer Zeitschleife?“ Denn Slomkas Statement erinnert stark an die letzten anderthalb Jahre. Fielen nicht die gleiche Worte, wenn Hannover 96 in der ersten Liga gerade gegen einen etablierten Bundesligisten verloren hatte? Leider gibt es einen wichtigen Unterschied: In der ersten Bundesliga war Hannover 96 eine kleine Nummer. Aber jetzt, in der zweiten Bundesliga, sollte Hannover 96 als einer der etatstärksten Mannschaften, als einer der drei Erstligaabsteiger, doch nicht kleinlaut eingestehen müssen, dass es an Grundtugenden wie Robustheit oder Tempo fehlt – oder?

Szene mit Symbolcharakter: Die 96-Spieler (hier Edgar Prib) kämpften mit allen Mitteln, aber waren im Mittelfeld deutlich unterlegen.

Es ist nicht alles schlecht – aber es fehlt ein funktionierendes zentrales Mittelfeld

Vor der Saison hatten Mirko Slomka, Martin Kind und Jan Schlaudraff gemeinsam verkündet, dass es Hannovers Selbstverständnis sein müsse, als einer der vier etatstärksten Mannschaften um den Aufstieg mitzuspielen. Dieses Selbstverständnis kann zukünftig nur dann Bestand haben, wenn Hannover 96 nochmal auf dem Transfermarkt nachlegt und mindestens einen gestandenen Sechser für das zentrale Mittelfeld verpflichtet. Denn es ist ja nicht alles schlecht. Die Stürmer wissen ja eigentlich, wo das Tor steht, und die Verteidigung macht trotz allem nicht den schlechtesten Eindruck. Aber ohne ein funktionierendes Mittelfeld, das erstens Torchancen einleitet und zweitens Tore in der Entstehungsphase verhindert, bringt auch ein Torschützenkönig im Sturm und ein U21-Nationalspieler in der Innenverteidigung wenig.

Die Lieblingsfolgen vom 96Freunde-Podcast mit Altin Lala, Florian Fromlowitz und Ewald Lienen. Viel Spaß beim Reinhören!

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9 Kommentare

  1. Lieber Dennis,

    danke für den Bericht vor Ort!

    Es war der berühmte gebrauchte Tag, an dem es wieder bewiesen wurde, dass wir sowohl qualitativ als auch quantitativ nachlegen müssen.

    Mittlerweile musste eigentlich jedem klar sein, dass unser Mittelfeld eventuell das schwächste Glied in der Mannschaftskette ist.

    http://96freunde.de/knapp-vor-krise-eine-einstimmung-auf-das-wichtige-auswaertsspiel-von-hannover-96-gegen-wiesbaden/#comment-1097

    Wie ich Dir bereits in meinem letzten Kommentar geschrieben habe, sieht jeder nicht Experte, dass man dieses Problem durch lange/diagonal Pässe zu kompensieren versucht, was aber nur gegen Wiesbaden geklappt hat und anscheinend inzwischen andere Trainer sehr leicht dagegen vorgehen können. Wie Du auch geschrieben hast, dieses Problem existiert seit sehr langer Zeit. Es ist wie eine alte Serie in Dauerschleife. Sobald der Gegner nach einem langen Pass von uns den Ball bzw. den zweiten Ball ganz leicht in eigenen Reihen erobert, dauert meistens nur zwei drei Sekunden, bis sie sich in unserem Straffraum oder kurz davor befinden, wo wir auch oft durch einen kleinen Fehler entweder ein Tor oder wenigstens die Möglichkeit dazu (Ecke, 11er, Freistoß, Abpraller) kassieren können.

    Es ist so frustrierend, weil genau im Mittelfeld auch die wenigen erarbeiteten Chancen durch Fehlpässe und Stellungsfehler in Sand gesetzt werden, was wiederum die Laune und das Selbstbewusstsein des ganzen Teams nach und nach bis zur totalen Aufgabe runterzieht.

    Fakt ist: Wir haben nach vielen Abgängen einen relativ kleinen Kader und dadurch keinen großen Spielraum. Übrigens falls ein paar Spieler wie in den letzten Jahren gleichzeitig ausfallen, könnte es eine große Katastrophe werden. Den Anfang hat ja „Linton“ gemacht.

    Wir können nur hoffen, dass man den letzten Transfertag benutzt, um neue selbstausgesuchte Spieler zu holen. Ich befürchte nur, dass für unsere Führung die vertragslosen Spieler und zwar nach dem Transferschluss eine wichtige Option sind, was auch selbst ein sehr großes Risiko darstellen könnte, da man bekanntlich keine große Auswahl hätte!

    Einige Punkte:

    -Heute könnte man deutlich erkennen, dass das Team noch gar nicht eingespielt ist, ganz besonderes die neuen (Horn, Hansson sogar Elez). Unsere Jungs standen sich öfters im Wege.

    -Das Prib-Interview nach dem Spiel fand ich sachlicher und selbstkritischer als von „Baka“!

    -Man kann unseren Freunden aus Norden nur gratulieren. In diesem Jahr haben sie bis jetzt alles richtiggemacht. Das neueste; Verpflichtung von „Harnik“, der uns damals verlassen habe, weil es ihm alles hier zu chaotisch gewesen sei (Das habe ich indirekt gehört)!

    -Der Moment des Spiels: Tor von „Jatta“ und seine Auswechselung, Gänsehaut pur!  

    -Als Roter brauch man seit Jahren Nerven aus Stahl. Ich wünsche uns allen noch sehr viel mehr Geduld, die sich am Ende bezahlt macht!

     

    Rote Grüße!

  2. Neben den offensichtlichen Problemen im MF hat 96 noch ein weiteres gravierendes Problem und das heißt Mirko Slomka….

    Warum stellt er bei der defensiven Spielanlage Henne – den ich sonst durchaus schätze – auf und lässt die schnelleren Spieler auf der Bank? 

    Warum führt Duksch – übrigens gelernter Stürmer mit 1.88m Gardemaß – die Ecken aus, statt sie vorne zu verwerten? 

    Wer hat das Fass mit dem Torhüter aufgemacht? 

    Schon zur früheren Slomka Ära hatte die Mannschaft nach Rückstand keinen Plan B und fiel auseinander. Wie sich die Bilder doch ähneln. 

    Apropos ähneln: vermutlich wird sich 96 nun an der Resterampe bedienen. Früher hießen die Abel Xavier und so weiter. Das Ergebnis ist bekannt. Für die nun aber benötigte Qualität fehlt das erforderliche Kleingeld.

    Vor einigen Wochen hatte ich hier schon auf den eingeschlagen Braunschweiger Weg hingewiesen. Gute Reise. 

    • "Warum führt Duksch – übrigens gelernter Stürmer mit 1.88m Gardemaß – die Ecken aus, statt sie vorne zu verwerten?"

      Hierzu muss ich etwas schreiben. Schon der Sky-Kommentator sprach das dusseligerweise an. Ducksch war auch schon bei Kiel sehr oft für die Ecken mit rechts verantwortlich. Er kann das. Darum macht er das. Er ist auch trotz 1,88 kein klassischer kopfballstarker Brecher. Das ist ein Missverständins. Seine Stärke sind sein rechter Fuß und sein Spielverständnis.

      Dass er bei 96 auch Ecken mit rechts ausführt ist konsequent und richtig. Dies Slomka als Dummheit anzukreiden zeugt nicht davon, dass man sich sehr mit Ducksch befasst hat.
      Vom aktuellen Kader käme eh nur noch Muslija dafür in Frage. Und der sitzt eher auf der Bank.

      Bei den anderen Punkten bin ich bei dir. Das jedoch konnte ich so nicht stehenlassen.

  3. Als ich die Aufstellung von Slomka sah, traute ich meinen Augen nicht, habe meinen Spieltipp noch schnell in 3:0 geändert und leider Recht behalten. Eine unterirdische, absolut indiktutable Nichtleistung dieser minderbemittelten Bolzplatztruppe. Der Abstieg in Liga 3 ist vorprogrammiert.

  4. Hannover 96 ist schon seit langen am Ende. Das hat sich schon vor einigen Jahre abgezeichnet. Jetzt ist es offensichtlich, die Verpflichtung von Slomka und die unersichtliche Rückholaktion von Zieler, zeigen das gleiche Strickmuster wie 1996 als Hannover in die dritte Liga abgestiegen ist. Am schönsten finde ich, dass sich alle an den vergangenheitsromantischen Erfolgen hochziehen. Keiner sieht, dass dieser Verein durch die permanente Sparpolitik des senilen Kindes abgewirtschaftet ist und somit völlig uninteressant für junge und gute Spieler ist (siehe den Abgang vom Beckenbauerenkel oder die beiden Amerikaner). Jeder, der nur ein wenig Weitblick hat, wird erkennen, dass dieser Verein sich irgendwann, schätze in den nächsten 2 Jahren, im Niemansland der Regionalliga wiederfindet.  

  5. Die Befürchtung von Ronald Stange ist nicht aus der Luft gegriffen. Ich war lange Zeit auf der Seite von Kind, habe aber festgestellt, daß seine Aussagen, sich mit sportlicher Kompetenz (ohne seine Einmischung!) breiter aufzustellen, nichts Wert sind. Offensichtlich hat er das nie umgesetzt und ohne seinen Segen wird niemand eingestellt oder transferiert. Da er von Fußball keine Ahnung hat, ist das Desaster vorprogrammiert. Wenn er einfach nur zahlen und Andere entscheiden lassen würde, dann hätte 96 eine Chance. So aber nicht!

  6. @Walloschke Breslau : um dann einen Pass von 5m auf Prib zu spielen?? 

    Ein Stürmer gehört bei Standarts in den Strafraum oder sollte sich einen neuen Beruf suchen. 

    Ich gebe gerne zu das ich das aus Kiel nicht wusste, was es aber inhaltlich nicht besser macht. 

    • Haha nee, die Variante war in der Tat keine gute.

      Ein Stürmer gehört nicht per se bei Standards in den Strafraum. Da muss ich dir widersprechen. Jeder nach seinen Stärken. Was hilft es dir, wenn der da rumsteht (nochmal, das ist nicht seine Stärke) und niemand ne brauchbare Flanke bringt? Wer sollte denn die Flanke bringen, wenn du sie von links zum Tor ziehen willst? Korb?

      Drei Innenverteidiger plus Weydandt sollten im Übrigen auch theoretisch schon Gefahr bringen können.
       

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