Nach dem 96-Sieg in Dresden: Wie die Situation in Hannover jetzt neu einzuordnen ist

Bild aus dem Hinspiel von Hannover 96 in Dresden: Nach Korbs Tor zum 1:0 reißt Marc Stendera die Arme hoch. Er hatte mit seinem Traumpass auf Julian Korb maßgeblichen Anteil am Tor. Foto: Imago

Nach dem 2:0-Auswärtssieg von Hannover 96 gegen Dynamo Dresden stellt sich die Frage, wie es nun bei Hannover 96 weitergeht. Wir versuchen uns an einer Einordnung – und geben eine Empfehlung ab. Von Dennis Draber.

Kämpferisch war der Auftritt überzeugend, spielerisch wusste das 96-Team zumindest phasenweise zu überzeugen, jedoch längst noch nicht über die vollen 90 Minuten. Der entscheidende Unterschied lag dieses Mal allerdings in der Schlussphase.

Ein Spiel dauert 90 Minuten – zum ersten Mal auch bei Hannover 96

Während die Mannschaft sich gegen Nürnberg, Hamburg und Bielefeld in den Schlussminuten resigniert ihrem Schicksal ergab und gegen Kiel in den letzten Minuten beinahe den sicher geglaubten Zwei-Tore-Vorsprung verspielte, gelang dem 96-Team mit einer Kraftanstrengung in der Schlussphase gegen Dresden der Auswärtssieg.

Damit ist der Sieg gegen Dresden das erste Spiel seit Wochen, in dem Hannover 96 in der Schlussphase die Oberhand behält. Zum ersten Mal in dieser Saison gelingt dem 96-Team ein eigenes Tor nach der 80. Minute. Und zum ersten Mal seit fünf Spielen bleibt Zielers Kasten in den letzten 30 Minuten ohne Gegentreffer.

Das Management um Jan Schlaudraff und Martin Kind hatte „eine erkennbare Leistungssteigerung der Mannschaft und eine deutliche Antwort auf die enttäuschende Vorstellung gegen Nürnberg“ gefordert. Diese Antwort hat sie erhalten – und sie ist positiv ausgefallen. Nach der bitterbösen 0:4-Heimpleite gegen Nürnberg, die phasenweise einer Arbeitsverweigerung der 96-Spieler gleichkam, mutmaßten einige Zuschauer bereits, dass die Mannschaft gegen den Trainer spielt.

Spielt die Mannschaft gegen den Trainer? Die klare Antwort: Nein

Wenn das Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer tatsächlich nicht mehr intakt gewesen wäre, so wäre es für die Mannschaft gestern ein Leichtes gewesen, ihren Übungsleiter loszuwerden. Sie hätte nicht mal haushoch verlieren müssen – bereits bei einer 0:1-Niederlage, selbst bei einem verkrampften 0:0 hätte Mirko Slomka wohl seinen Job verloren.

Gegen Dresden wurden Michael Köllner (ehemals Nürnberg) und Hannes Wolf (zuvor beim HSV) auf der Tribüne gesichtet – sie machten sich offenbar bereits Hoffnungen auf die Nachfolge Slomkas. Das Vertrauen in Slomka war in der Vereinsführung zwischenzeitig nicht mehr allzu groß. Das lässt sich schon allein daran erkennen, dass auf branchenübliche Formulierungen wie „Der Trainer genießt unser Vertrauen“ vor dem Spiel verzichtet wurde.

Slomka stellte sein Team nur auf zwei Positionen um, neun Spieler aus der Nürnberg-Startelf durften auch gegen Dresden von Beginn an spielen. Wenn diese Spieler bereits am vergangenen Montag gegen ihren Trainer gespielt hätten, wäre es ihnen ein leichtes gewesen, dies gegen Dresden zu wiederholen. In der jüngeren 96-Historie gibt es genügend Beispiele, in denen die Mannschaft gegen ihren Trainer gespielt und dessen Entlassung bewirkt hat – etwa im Sommer 2009, als das Verhältnis zwischen Dieter Hecking und dem 96-Team nach dem Tarnat-Rausschmiss und der Umwandlung der „Kabine Zwei“ in einen Ruheraum nachhaltig gestört war und Hecking nach zwei schlechten Mannschaftsleistungen zu Saisonbeginn gehen musste. Oder im Frühjahr 2016, als sich Edgar Prib vor laufenden Kameras zweideutig über das Verhältnis der Mannschaft zu Thomas Schaaf geäußert hatte.

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Überzeugende Statistiken

Doch über dieses Thema muss nun vorerst nicht mehr diskutiert werden, denn die Mannschaft zeigte einen überaus akzeptablen Auftritt – nicht zuletzt dank Marc Stendera, der beide Treffer mit zwei punktgenauen Pässen auf Korb und Teuchert mustergültig vorbereitete. Stendera lieferte ein starkes Spiel, 38 seiner 42 Pässe kamen beim Mitspieler an, von seinen 11 Langpässen erreichten 9 ihr Ziel – ein beachtlicher Wert.

Stendera: 9 von 11 Langpässe angekommen

Auch andere 96-Spieler konnten überzeugen: Der eingewechselte Cedric Teuchert gewann 62% seiner Zweikämpfe, für einen Stürmer eine bemerkenswerte Quote. Der junge Schwede Emil Hansson kam bei seinem Startelfdebüt auf eine Quote von 61% „gelungene Aktionen“ – das ist ein Wert, den die Scoutingplattform „Wyscout“ errechnet, wenn man einen Durchschnitt aus allen spielrelevanten Individualwerten wie Passquote, Zweikampfquote, Dribblings, Flanken, Ballverluste- und eroberungen bildet.

Elez: 71% Zweikampfquote

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Josip Elez, der neben Marcel Franke starten durfte, gewann 71% seiner Zweikämpfe – ein Top-Wert, wie ihn Salif Sané zu seinen besten Zeiten bei Hannover 96 erreichte. Und Haraguchi erreichte eine Offensivzweikampfquote von 57% – damit gewann Haraguchi mehr Zweikämpfe in der Offensive als jeder andere Hannoveraner. Dieser Wert ist deshalb beachtlich, weil Zweikämpfe im Angriffsspiel normalerweise deutlich öfter verloren gehen als Zweikämpfe im Defensivspiel.

Der wohl wichtigste Wert war jedoch ein anderer: Hannover 96 kam in hoher Regelmäßigkeit zu Torchancen (17 Torschüsse). Anders als in der Vorwochen versuchte Hannover 96 auch nicht mehr, im Pep Guardiola-Stil den Ball ins Gehäuse zu tragen. Stattdessen trauten sich die Spieler, auch mal außerhalb des Strafraums aufs Tor zu schießen. Hansson (41. Minute), Stendera (58., 62., 77.), Prib (62.) und Haraguchi (83.) hielten insgesamt sechsmal aus der Distanz drauf. Stenderas mutiger Weitschuss aus 25 Metern in der 58. Minute wäre beinahe mit der Führung belohnt worden – Lattentreffer.

Strategische Weichenstellungen in der Winterpause

Bisher gelangen Slomkas Spieler drei Auswärtssiege, aber noch kein Heimsieg. Weshalb ansehnliche Leistungen auswärts gegen Kiel und Dresden gezeigt werden, zu Hause gegen Nürnberg und Bielefeld hingegen nicht, bleibt ein großes Rätsel. „Vielleicht tun wir uns ein bisschen leichter, wenn die Erwartungshaltung nicht so groß ist. Wenn wir nicht das Gefühl haben, dass wir ab der ersten Minute das Spiel machen müssen“, sagte Jan Schlaudraff nach dem Spiel. Damit langfristig mehr Ruhe im Umfeld von Hannover 96 einkehrt, wird Slomka ein Konzept entwickeln müssen, wie sein Team ab der ersten Minute das Spiel gestalten kann – das bleibt er bisher schuldig. Es liegt noch ein weiter Weg vor dem 96-Trainerstab. Der Sieg gegen Dresden war nur ein erster kleiner Schritt auf diesem Weg.

Ob Slomka der richtige Trainer ist, um ein schlagkräftiges Team aufzubauen, das in der Saison 2020/21 als Favorit um den Aufstieg mitspielt (der Aufstieg in dieser Saison bleibt trotz des Siegs in Dresden eine Utopie), darf mit einem Fragezeichen versehen werden. Es wird sich in den nächsten Monaten zeigen, ob Slomka in der Lage ist, seine Spieler langfristig zu entwickeln und nachhaltig besser zu machen. Die von Schlaudraff und Kind geforderte Leistungssteigerung hat Slomkas Team jedoch abgeliefert. Der Trainer hat es entsprechend verdient, bis zur Winterpause in Ruhe weiterzuarbeiten.

In der Winterpause ist Zeit für eine Zwischenbilanz mit entsprechenden strategischen Weichenstellungen. Bis dahin sollte die öffentlich ausgetragene Trainerdiskussion erstmal ruhen.

Die Lieblingsfolgen vom 96Freunde-Podcast mit Altin Lala, Florian Fromlowitz und Ewald Lienen. Viel Spaß beim Reinhören!

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3 Kommentare

  1. Wir sollten den Trainer in Ruhe arbeiten lassen. Erstmal muss diese junge Manschafft Zusammenwachsen.! Bin überzeugt von der Qualität diese Mannschaft. Im Fußball ist manchmal alles möglich.

    Lassen wir uns Überraschen , vielleicht klappt es noch mit'm.

    AUFSTIEG…!!

     

     

  2. Es muss eine konsequent Weiterentwicklung zu sehen sein, dann darf der Trainer bleiben. In Heimspielen fehlt der Nachweis weiterhin; wenn die Mannschaft mit der Erwartungshaltung der Fans nicht klarkommen, sollten die alle einmal auf die Couch, denn das ist die Normalhaltung der Fans.

  3. Also das Thema Aufstieg sollte man realistischerweise abhaken. Zunächst gilt das Ziel Klassenerhalt, was schwierig genug werden dürfte.

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